Comunità di Sant'Egidio - Napoli 2007 - Per un mondo senza violenza - Religioni e Culture in dialogo Comunità di Sant'Egidio - Napoli 2007 - Per un mondo senza violenza - Religioni e Culture in dialogo
 

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Comunit� di Sant'Egidio

22/10/2007 - 09:30 - Sala Perseide - Stazione Marittima
PANEL 6 - Die Schriften in den monotheistischen Religionen

Joachim Gnilka
Katholischer Theologe, Deutschland

Die Bedeutung der Schrift aus katholischer Sicht

Es soll versucht werden, dieses umfassende Thema in vier Punkten zusammenzufassen.

1. Wir bestimmen das Verh�ltnis von Offenbarung und Schrift:

Das Christentum versteht sich als Offenbarungsreligion. Dies bedeutet: Wir reden von Gott, weil er zu uns gesprochen hat, weil er aus seiner Verborgenheit hervorgetreten ist, theologisch gesprochen: weil er sich geoffenbart hat. Wir reden also nicht blo� von Gott, weil seine Macht und Gr��e aus den Werken der Sch�pfung wahrgenommen werden kann (vgl. R�m 1,19-21), sondern in erster Linie, weil er sich selbst in der Geschichte offenbaren wollte.

�Gott hat in seiner G�te und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun, damit die Menschen durch Christus, das fleischgewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben... Das Offenbarungsgeschehen ereignet sich in Tat und Wort, die innerlich miteinander verkn�pft sind... Die Tiefe der durch diese Offenbarung (�ber Gott und �ber das Heil des Menschen) erschlossenen Wahrheit leuchtet uns auf in Christus, der zugleich der Mittler und die F�lle der ganzen Offenbarung ist� (Dei Verbum 2).

Die Schrift ist nun das ma�gebliche Zeugnis f�r diese Offenbarung. Die Schrift ist nicht selbst die Offenbarung. In ihr aber ist das von Gott Geoffenbarte enthalten. Die Eigenart der Schrift wird also nur im Verh�ltnis zur Offenbarungsgeschichte Gottes in Israel und zuletzt in Jesus von Nazaret erkennbar. Die Schrift ist auch nicht die Wiedergabe von Privatoffenbarungen des Willens Gottes an eine Prophetengestalt. Sie ist Zeugnis und Verk�ndigung des an das Volk gerichteten Heilshandelns Gottes und des damit verbundenen ergangenen Wortes Gottes. Die Autoren von heiligen Schriften sind Zeugen und Verk�nder dieses vor uns liegenden Heilsgeschehens. Diese Verankerung der Schrift in der ihr vorausliegenden Offenbarungsgeschichte sieht man etwa klar darin, dass Jesus selbst nichts Schriftliches hinterlassen, seine eigene Verk�ndigung nicht aufgeschrieben hat. Darin unterscheidet er sich vom religionsgeschichtlichen Typus des Religionsstifters. Das geschriebene Wort aber ist als Zeugnis von dem vorausliegenden Offenbarungsgeschehen in Christus selbst das Wort Gottes. In diesem Sinn sagt Paulus: �Wir danken Gott, dass ihr das Wort Gottes, das ihr durch unsere Verk�ndigung empfangen habt, nicht als Menschenwort, sondern als das angenommen habt, was es in Wahrheit ist: als Wort Gottes� (1 Thess 2,13).

Die Schrift ist als authentischer Reflex der Offenbarung Gottes auch deshalb das Wort Gottes, weil sie � nach katholischer Lehre � als inspiriert gilt. Der Kirche gelten �die B�cher des Alten wie des Neuen Testaments in ihrer Ganzheit mit allen ihren Teilen als heilig und kanonisch, weil sie, unter der Eingebung des Heiligen Geistes geschrieben, Gott zum Urheber haben und als solche der Kirche �bergeben sind� (Dei verbum 11). �Jede Schrift, von Gott eingegeben, n�tzt zur Lehre, Zurechtweisung, Besserung, Erziehung in der Gerechtigkeit� (2 Tim 3,16; vgl. 2 Petr 1,19-21).

2. Wie verh�lt sich das Alte zum Neuen Testament, die beide zum Kanon der Schrift geh�ren?

Gilt uns Christen das Neue Testament und die in ihm bezeugte Offenbarung Gottes, die in Jesus Christus erfolgte, als der Kulminationspunkt der Schrift, so ist doch deutlich, dass beide zusammengeh�ren. Ich meine das auch in dem Sinn, dass das Neue Testament ohne das Alte Testament nicht verstanden werden kann. Das geht schon daraus hervor, dass sich in jeder Schrift des Neuen Testaments mehr oder weniger zahlreich Zitate, Anspielungen aus dem Alten Testament finden. In gewissem Sinn k�nnte man sogar sagen, dass das Neue Testament eine Art Kommentar des Alten Testaments, der aus einer durch den Christusglauben gewonnenen Perspektive hervorgeht, darstellt. Das II. Vatikanum: �Die Kirche Christi anerkennt, dass nach dem Heilsgeheimnis Gottes die Anf�nge ihres Glaubens und ihrer Erw�hlung sich schon bei den Patriarchen, bei Mose und den Propheten finden. Sie bekennt, dass alle Christgl�ubigen als S�hne Abrahams dem Glauben nach in der Berufung dieses Patriarchen eingeschlossen sind und dass in dem Auszug des erw�hlten Volkes aus dem Land der Knechtschaft das Heil der Kirche geheimnisvoll vorgebildet ist. Deshalb kann die Kirche auch nicht vergessen, dass sie durch jenes Volk mit dem Gott aus unsagbarem Erbarmen den Alten Bund geschlossen hat, die Offenbarung des Alten Testaments empfing und gew�hrt wird von der Wurzel des guten �lbaums, in den die Heiden als wilde Sch�sslinge eingepfropft sind. Denn die Kirche glaubt, dass Christus, unser Friede, Juden und Heiden durch das Kreuz vers�hnt und beide in sich vereinigt hat� (Nostra aetate 4).

Paulus sagt von seinen Stammverwandten, dass �ihnen die Annahme an Sohnes statt und die Herrlichkeit, der Bund und das Gesetz, der Gottesdienst und die Verhei�ungen geh�ren wie auch die V�ter� und dass aus ihnen Christus dem Fleisch nach stammt (R�m 9,4f). Sehr wahrscheinlich sind alle neutestamentlichen Schriften von Juden-Christen verfasst worden, mit Ausnahme des dritten Evangeliums und der Apostelgeschichte. Deren Verfasser k�nnte aber als �Gottesf�rchtiger� oder Proselyt dem Judentum nahegestanden haben.

Neuere exegetische Bem�hungen r�cken Altes und Neues Testament noch enger zusammen. Man empfindet, dass der Begriff �Altes Testament� f�r Juden verletzend sein k�nnte und spricht vom �Ersten Bund� (vgl. Hebr 9,15). Man wei� aus der Geschichte, dass manche neutestamentliche Stelle � obwohl das gegen die Grundintention des Evangeliums Christi sich richtet, das ein Evangelium der Liebe ist � Anlass f�r Judenpogrom waren, besonders der Blutruf Mt 27,25. Die �u�eren Anl�sse wie der schreckliche Holocaust m�gen den Anlass gegeben haben, letztlich waren es bibeltheologische Reflexionen, die manche Exegeten dazu f�hrten, den gro�en Zusammenhang herauszuarbeiten und zu betonen und von einem einzigen Bund zu sprechen, der durch Christus erneuert worden sei. Freilich ist auch daran zu erinnern, dass die Rede vom Neuen Bund schon beim Propheten vorkommt (Jer 31,31-34). Auch beruht die Einbeziehung der Heidenv�lker in das eschatologische Heil auf der Verhei�ung, die dem Patriarchen Abraham gegeben wurde, dass in seinen Nachkommen alle V�lker der Erde gesegnet sein sollen, eine Verhei�ung, die neutestamentliches Denken, besonders das paulinische, ma�geblich bestimmt (Gen 12,3).

3. Der Kanon wird in seinem Umfang unterschiedlich umrissen.

Der Kanon � auch Tanach genannt, ein Kunstwort, entstanden aus den zusammengesetzten Abk�rzungen von torah, nebiim und ketubim � umfasst im Judentum 39 Schriften nach heutiger Z�hlung. Das Urchristentum �bernahm bez�glich des Alten Testaments die B�cher als kanonisch, die auch das Judentum als kanonisch ansah. Erst um 400 wurde der sogenannte umfangreichere Septuagintakanon von der westlichen Kirche als heilige Schrift anerkannt. Die �stliche Kirche schloss sich dem im 7. Jahrhundert an. Die Reformatoren schieden alle B�cher und Buchteile aus, die nicht in hebr�ischer Textfassung vorlagen. Demgegen�ber bestimmte das Konzil von Trient im Jahr 1546, dass auch die 7 in griechischer Sprache vorliegenden B�cher als kanonisch gelten sollten, n�mlich Tobit, Judit, die Weisheit Salomos, Sirach, Baruch und 1 und 2 Makkab�er. Herk�mmlicherweise spricht man von deuterokanonischen B�chern. Die �stliche Kirche hat von diesen nur 4 �bernommen: Tobit, Judit, Sirach und Weisheit. Die Kanonbegrenzung ist also innerhalb der Kirchen bez�glich des Alten Testaments uneinheitlich. Die Gr�nde, die zur Erweiterung gef�hrt haben, sind nicht vollst�ndig ersichtlich. Im wesentlichen werden 3 genannt: 1. In der fr�hchristlichen Kirche wurde mit Vorzug die griechische �bersetzung des Alten Testaments verwendet. Dies gilt auch f�r die Schriften des Neuen Testaments. 2. Mit der kanonischen Anerkennung dieser sp�t entstandenen Schriften betonte man die heilsgeschichtliche Kontinuit�t zu den neutestamentlichen Schriften und 3. Diese 7 deuterokanonischen Schriften besa�en einen hohen p�dagogischen Wert und einen gepflegten literarischen Charakter. Als Beispiele f�r das Leben waren sie sehr beliebt, �brigens auch schon in j�dischen Gemeinden im Rahmen des Proselytenunterrichts.

4. Abschlie�end ist ein Wort zu sagen zur Schrift im Leben der Kirche.

Die in den letzten 50-100 Jahren zu beobachtende Entwicklung ist gepr�gt durch eine zunehmende �ffnung der Schrift hin zum Leben der Gl�ubigen. �Der Zugang zur heiligen Schrift muss f�r die an Christus Glaubenden weit offen stehen� (Dei verbum 22). Es ist beachtenswert, dass das II. Vatikanum in einer Formulierung der Offenbarungskonstitution den Tisch des Wortes unmittelbar neben den Tisch des Leibes Christi stellt: �Die Kirche hat die heiligen Schriften immer verehrt wie den Herrenleib selbst, weil sie, vor allem in der heiligen Liturgie, vom Tisch des Wortes Gottes wie vom Tisch des Leibes Christi ohne Unterlass das Brot des Lebens nimmt und den Gl�ubigen reicht� (Nr. 21). Nach W. Kasper kommt einer solchen Aussage �ber eine gleichsam sakramentale Heilsbedeutung der Schrift gro�e Bedeutung zu. Die eigentliche Begr�ndung f�r die besondere Stellung der Schrift wird hier in ihrer Heilsbedeutung gesehen. Die Schrift ist nicht nur Belehrung, sondern soll auch gesehen werden als Anrede des himmlischen Vaters an seine Kinder, als Zwiesprache zwischen Gott und dem Menschen. Darum ist das Schriftwort f�r die Kirche Gottes Kraft und St�rke, St�tze und Leben. F�r die Gl�ubigen ist das Schriftwort die Kraft ihres Glaubens, Speise f�r die Seele, reine und best�ndige Quelle des religi�sen Lebens (Nr. 21). Die Schriftlesung wird gerade auch der religi�sen Praxis des einzelnen Gl�ubigen zugewiesen, der die Schrift nicht in erster Linie als theologisches Thesenbuch, sondern als Lebensquelle f�r den eigenen Glauben und deren Realisierung im Alltag gebrauchen soll.

Das Konzil zieht daraus praktische Folgerungen wie die Erarbeitung guter �bersetzungen, nach M�glichkeit aus dem Urtext, die bei sich bietenden Gelegenheiten auf �kumenischer Basis erfolgen sollen. Wer der Verk�ndigung dient, soll sich in regelm��iger Lesung und in einem gr�ndlichen Studium mit der Schrift befassen, damit �keiner von ihnen zu einem hohlen und �u�erlichen Prediger des Wortes Gottes werde, ohne dessen innerer H�rer zu sein� (Nr. 25; vgl. Augustinus, Sermo 179). Predigt und Katechese sollen vom Geist der Schrift erf�llt sein. Dem Anliegen der Schrift wird man aber immer nur im Medium der geschichtlichen Situation des Glaubens ansichtig. Der Verk�nder sollte also demnach die Schrift und die jeweilige Perikope unter der Glaubensproblematik der Situation seiner H�rer auslegen. Der Exeget hat die Aufgabe, die Sto�richtung der Schrift bis zu jener Stelle zu f�hren, wo das Mysterium des Glaubens aufleuchtet. Der Prediger vermittelt dieses Licht an seine H�rer, indem er es auf die heutigen Fragen fallen l�sst. Wir schlie�en uns der Hoffnung an, die die Konstitution am Ende ausspricht: Das Leben der Kirche m�ge neuen Antrieb erhalten durch die Hinwendung zum Wort Gottes, das bleibt in Ewigkeit (Jes 40,8).