Kardinal, emeritierter Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Heiliger Stuhl
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Eph 6,13-20
Darum legt die Rüstung Gottes an, damit ihr am Tag des Unheils standhalten, alles vollbringen und den Kampf bestehen könnt. Seid also standhaft: Gürtet euch mit Wahrheit, zieht als Panzer die Gerechtigkeit an und als Schuhe die Bereitschaft, für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen. Vor allem greift zum Schild des Glaubens! Mit ihm könnt ihr alle feurigen Geschosse des Bösen auslöschen. Nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes. Hört nicht auf, zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist; seid wachsam, harrt aus und bittet für alle Heiligen, auch für mich: daß Gott mir das rechte Wort schenkt, wenn es darauf ankommt, mit Freimut das Geheimnis des Evangeliums zu verkünden, als dessen Gesandter ich im Gefängnis bin. Bittet, daß ich in seiner Kraft freimütig zu reden vermag, wie es meine Pflicht ist.
I. Die Botschaft
„Seid bereit für das Evangelium des Friedens zu kämpfen.“ Dafür sollt ihr stehen und widerstehen Das ist die Botschaft des Textes aus dem Epheserbrief.
Friede, das war schon damals im 1. Jahrhundert die große Sehnsucht, und sie ist es heute im 21 Jahrhundert wieder. Zu allen Zeiten erwarteten Menschen den Friedensfürsten. Jede Thronbesteigung wurde als Anbruch einer Friedenszeit proklamiert. Keine konnte das Versprechen halten. Der Prophet Jesaja prophezeite den Messias als Fürst des Friedens (Jes 9,5) und sah die Friedensboten bereits im Kommen mit der Botschaft: „Dein Gott ist König“ (Jes .52,7 f).
Der Epheserbrief konkretisiert die Erfüllung dieser Verheißung. „Er, Jesus Christus ist unser Friede“ (Eph 2,14). Er hat keine Mauern gebaut, er hat die trennende Mauer niedergerissen und den Urriss, der die Menschheitsgeschichte durchzieht, wieder geheilt, Er hat die Barrikaden der Vorurteile und der gegenseitigen Schuldzuweisungen abgeräumt. Er hat die Logik der Feindschaft und der gegenseitigen Exklusion durchkreuzt durch die Logik der Versöhnung, der Vergebung der Inklusion und Integration (Eph 2,13-17). Er hat das All, Himmel und Erde, in sich als Haupt zusammengefasst und eine kosmische Friedensordnung begründet (Eph 1,10; Kol 1,20).
II. Die Situation
Die Entscheidungsschlacht ist durch Kreuz und Auferstehung gewonnen, aber der Endsieg für uns noch nicht erreicht. Im Gegenteil! Die Situation ist bedrängend, die Situation der Welt ist geradezu apokalyptisch. Der Brief .will aufrütteln aus Lauheit, Sattheit, Gemütlichkeit und Gleichgültigkeit. Er ist ein Weckruf an eine träge, sorglos gewordene Christenheit die sich in trügerischer Sicherheit wähnt. Man könnte das Kirchenleid darüber schreiben: „Weck die tote Christenheit aus dem Schlaf der Sicherheit!“ (GL 481).
Die Lage ist ernst. Nicht nur weil. die Welt von Waffen strotzt und manche damit in übler Weise auch noch ihre Geschäfte machen. Das ist schon schlimm genug. Es ist sogar von Brandgeschossen die Rede, die schon damals gefährlich waren, und sie sind es heute weit mehr. Doch die Weltangst hat noch tiefere Gründe. Es sind nicht nur Mächte von Fleisch und Blut, die uns Angst und Schrecken einjagen und gegen die wir zu streiten haben. In der Welt wüten Mächte und Gewalten des Bösen. Wir dürfen sie nicht mit Personen, Nationen oder Weltregionen identifizieren. Sie verstecken sich in ihnen, manchmal auch in uns. Es ist von arglistigen Anschlägen des Bösen die Rede. Es gibt es den Bösen, der das Böse mit viel List und Tücke gezielt will. Er geht umher wie ein brüllender Löwe, der sucht, wen er verschlingen könne (1 Petr 3,8).
III. Was tun?
Was tun? Wir müssen aufrüsten, aufrüsten mit den Waffen Gottes. Gott allein kann diese bösen Mächte besiegen. Es wird kein neuer Kreuzzug. ausgerufen, nicht eine Spirale der Gewalt und der Drohung mit Gewalt ausgelöst. Sie kann im extremen Ernstfall nach Ausschöpfung aller anderen Mittel die ultima ratio sein, und der säkulare Staat muss, soweit es in seinen Kräften liegt, für solche Extremsituation vorsorgen. Er darf sie aber durch martialische Rhetorik nicht herbeireden. Uns Christen dagegen muss es um das Schwert des Geistes, das Wort Gottes gehen.
Jeder Christ wird in der Taufe in diesen geistlichen Kampf hineingestellt. Bei der Taufe haben wir dem Bösen widersagt. Soldatendienst Christi ist in der Bibel wie bei den Kirchenväter ein verbreitetes Motiv, das wir in einem allzu verbürgerlichten Christentum verharmlost haben. Da gilt es nachzurüsten.
Zuerst den Gürtel der Wahrheit anlegen. Wahrheit ist das, was beständig ist, was feststeht was immer und überall gilt und auf was man sich unbedingt verlassen kann, wenn man nicht von jedem Windhauch und jeder Welle der Mode hin und her getrieben werden will (Eph 4,14). Das bedeutet Parrhesia Freimut, die ohne political correctness die Situation aufdeckt so wie sie ist, die gegen alle Heuchelei die Dinge beim Namen nennt, den Fake News und Hassparolen Gedanken des Friedens entgegensetzt. Freimut bedeutet nicht hinter den Berg halten vielmehr öffentlich das Wort ergreifen. Etwas banaler: Macht für die gute Sache des Evangeliums doch endlich mehr und bessere Öffentlichkeitsarbeit!
Dazu der Panzer der Gerechtigkeit. Opus iustitiae pax. Der Friede ist das Werk der Gerechtigkeit (Jes 32,17). Solange in unserer Welt himmelschreiendes Unrecht und, menschunwürdige Lebensverhältnisse herrschen, kann es keinen Frieden geben. Die Erde ist das gemeinsame Haus aller; sie gehört allen, und ihre Güter müssen nicht allen das gleiche aber allen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Wir haben als Christen dafür keinem Marshallplan. Wir wissen aber: Jeder einzelne zählt. Wer nur einen Menschen rettet, der rettet die Welt.
Schließlich: Bereitschaft. Keiner darf sich feige wegducken und sich verstecken und sich die Not gemütlich im Sessel vor dem Fernseher angucken. Tapferkeit ist gefragt. Sie ist nicht Tollkühnheit sondern die Bereitschaft etwas zu riskieren, um des Guten willen auch Nachteile, Verwundungen, im Ernstfall den Tod hinzunehmen. jeder muss sich fragen und wird einmal gefragt werden: Was hast du getan, damit die Welt ein bisschen sicherer, ein bisschen friedfertiger wird ?
IV. „Hört nicht auf zu beten!“
Die eigentliche Waffe des Geistes ist damit noch gar nicht genannt. Betet immerzu ! Wir sind zu einem Sturmgebet aufgerufen. Das Gebet ist die stärkste Macht der Welt, wirksamer jedenfalls als Sonntagsreden und sei es auf Kirchen- oder Katholikentagen. Zum Feststehen und zum Widerstehen kommt so das fürbittenden Einstehen für einander. Gott allein hat Fäden des Weltgeschehens in der Hand. Er allein hat Zugang zu den Herzen. Er kann Gedanken des Friedens eingeben. Er hört das Schreien unserer Brüder und Schwestern in Verfolgung und Bedrängnis Auch wir dürfen sie nicht vergessen. Wir dürfen die Christenverfolgungen nicht totschweigen. Zu solchem Gebet sind wir hier versammelt und das hoffentlich nicht nur hier und heute. Darum: „Lasset uns beten!“
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