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11 Septembre 2017 09:30 | Rathaus Muenster - Rathausfestsaal

Rede von Hans-Gert Pöttering



Hans-Gert Pottering


President of the Konrad-Adenauer Foundation, Germany
Sprechen wir über die Zukunft des vereinten Europas, lohnt gerade in diesem Jahr der Blick in die Vergangenheit: 2017 feiern wir 60 Jahre Römische Verträge. Sie waren ein epochaler Schritt für die friedliche Einigung Europas und besiegelten das Ende der jahrhundertelangen Zeitspanne mörderischer Feindschaften und blutiger Auseinandersetzungen in Europa. Sie waren der Beginn einer völlig neuen, friedvollen Gegenwart; ein Signal der Versöhnung; nichts Geringeres als das Fundament der europäischen Einigung.
Vor 60 Jahren wagten die Gründerväter Europas diesen historischen Schritt. Einer von ihnen, Jean Monnet, sagte einst: „Ohne Vision sind die Völker dem Untergang geweiht.“
Die Römischen Verträge sind Ausdruck dieser „Vision“ der Gründerväter um Robert Schuman, Alcide De Gasperi und Konrad Adenauer – allesamt christliche Demokraten. Sie kannten die Gefahren, vor denen Europa stand. Sie hatten sie am eigenen Leib erfahren: Auseinandersetzungen um Grenzen und Grenzräume zwischen den Staaten Europas.
Die Gründerväter Europas zogen nach den Erfahrungen von Kriegen und Konflikten die richtigen Lehren – und verfassten ein neues Kapitel. Sie waren sich einig, den Grenzen in Europa ihren trennenden Charakter nehmen zu müssen – um dem Frieden eine Chance zu geben.
Ein Weg nicht frei von Niederlagen: 1954 scheiterte der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft an der Haltung der französischen Nationalversammlung.
Nach Rückschlägen wurden neue Anläufe unternommen, mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März 1957 als sichtbarem Erfolg. Die Geschichte der Europäischen Integration hat uns in den folgenden Jahrzehnten gelehrt: Rückschläge und Niederlagen müssen nicht zum Scheitern führen. Sie sollten Ansporn zur Reform, zur Verbesserung und zum Neuanfang sein.
Weiteres Beispiel dafür war die Unterzeichnung der „Berliner Erklärung“ am 25. März 2007, dem 50. Jahrestag der Römischen Verträge. Als Präsident des Europäischen Parlaments habe ich die „Berliner Erklärung“ – zusammen mit der damaligen Präsidentin des Europäischen Rates, Bundeskanzlerin Angela Merkel, und dem Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Durão Barroso – unterzeichnet. Sie bereitete den Weg für den Vertrag von Lissabon. Auch damals war die Lage schwierig: Nach dem Scheitern des Verfassungsvertrags in den Referenden in den Niederlanden und Frankreich stand die EU vor der Zukunftsfrage. Einige Monate später, am 13. Dezember 2007, wurde der Vertrag von Lissabon unterschrieben; ein Zeugnis des Geistes europäischer Einigkeit, wenige Jahre nach dem Scheitern des europäischen Verfassungsprozesses.
Die „Berliner Erklärung“ war damals einer der Schlüsselmomente und der 25. März 2007 zählt daher zu den schönsten Erfahrungen meines politischen Lebens; ein Datum, das mich auch heute noch zutiefst beeindruckt.
Weit am Anfang heißt es in jener Erklärung: „Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sind zu unserem Glück vereint.“ Sie endet mit den Worten: „Denn wir wissen: Europa ist unsere gemeinsame Zukunft.“
Diese Worte erinnern uns daran, welch‘ kostbares Gut die friedliche Einigung Europas ist – zumal wenn wir uns an die früheren Tragödien der europäischen Geschichte erinnern.
Sie sind gleichwohl auch als Mahnung zu begreifen: Als Mahnung, dass wir das bislang Erreichte im vereinten Europa – die Freiheit und den Frieden, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit, all‘ unsere Grundwerte – nicht als Selbstverständlichkeit betrachten dürfen. Einheit in Vielfalt – das gehört zu unseren Grundsätzen. Bei müssen wir uns immer von den Prinzipien der Solidarität und Subsidiarität leiten lassen.
Zehn Jahre nach der „Berliner Erklärung“ und 60 Jahre nach den Römischen Verträgen sind die Ansprüche an das europäische Einigungsprojekt enorm. Auf der einen Seite erwarten die Bürger von der EU Schutz vor aktuellen Gefahren und Risiken und gleichzeitig die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft. Sie erwarten Schutz vor Terrorismus, Krieg und Konflikten, aber auch den negativen Folgen von Digitalisierung und Globalisierung. Sie erwarten, dass die EU in einer von Instabilität und Krieg geprägten Nachbarschaft einen Stabilitätsanker bildet. Verstärkt wird diese Erwartung noch zusätzlich durch die Unwägbarkeiten der aktuellen US-Politik. Die Nationalstaaten alleine wären mit diesen Erwartungen überfordert.
Gleichzeitig wird von der EU kraftvolles Anpacken bei der Gestaltung der Zukunft erwartet: Dazu gehört, Europa fit zu machen für das digitale Zeitalter und unser Wirtschafts- und Sozialsystem – trotz des demographischen Wandels - zu modernisieren, um es zu erhalten. Denn nur wenn wir weiterhin global wettbewerbsfähig sind, können wir dafür globale Normen und Schutzstandards prägen.
Die Unterstützung für eine solche stärkere Rolle der EU ist durchaus vorhanden: Eine klare Mehrheit der Deutschen (85 %) und Europäer (75 %) unterstützen z. B. eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU, 82 % der Deutschen und 66 % der Europäer wollen eine gemeinsame Außenpolitik der Staaten der EU.
Gleichzeitig wird der aktuelle Zustand der EU deutlich kritischer gesehen. Es gibt erhebliche Zweifel an ihrer Handlungsfähigkeit. Ein unbestimmtes Gefühl der Entfremdung und die Unzufriedenheit in der europäischen Bevölkerung werden verschärft durch eine Reihe negativer Entwicklungen in der näheren Vergangenheit: die Finanz- und Staatsschuldenkrise einiger Länder der Eurozone, die Flüchtlingskrise, die brutalen Terrorangriffe der vergangenen Jahre und Monate.
Die Lücke zwischen den Erwartungen an die Leistungsfähigkeit der EU einerseits und der Realität andererseits untergräbt letztlich die öffentliche Unterstützung für die europäische Einigung. Zunehmend sieht sich die EU einem sozial-nationalistischen Diskurs seiner Gegner ausgesetzt; einem Mix aus unhaltbaren wirtschafts- und sozialpolitischen Versprechen sowie einer nationalistischen, häufig auch rassistischen Rhetorik.
Das Brexit-Referendum im Juni 2016 war ebenfalls ein schwerer Schlag für die EU. Der nahende Austritt eines der größten Mitglieder der EU bedeutet jedoch keinesfalls deren Ende. Die Gegner Europas und seines Wertesystems haben zwar einige beachtliche Erfolge erzielen können. Ihr Aufstieg ist jedoch nicht unaufhaltsam, wie die Wahlen in Kroatien, den Niederlanden und Frankreich zeigen.
Wir müssen aber – wie schon vor 10 und vor 60 Jahren – die richtigen Lehren aus den Rückschlägen und Niederlagen ziehen. Wie wir die EU reformieren aber auch darüber, wie wir über die EU sprechen möchten. Die Europäische Kommission hat genau deshalb ein Weißbuch mit fünf Szenarien für die Zukunft der EU und später auch fünf Reflexionspapiere mit Überlegungen für die Prioritäten der EU in den kommenden Jahren veröffentlicht, in dem sie genau diese Debatte anstößt.
 
 
Was ist nun zu tun?
Die Abwendung vom Einigungsweg und Hinwendung zur Renationalisierung wäre ein fataler Irrweg. Der Abschied vom Euro hätte kaum abschätzbare Folgen für die Wirtschaft jedes Mitgliedsstaates, egal, ob groß, ob klein. Die Wiedereinführung von Schlagbäumen, Grenzkontrollen und Wechselstuben wäre nicht nur im Alltag eines jeden Europäers zu spüren; es wäre die Wiederkehr dessen, an dem sich einst Europas Katastrophen manifestierten.
Stattdessen brauchen wir ein Europa der Ergebnisse. Die EU muss heute zum Schutz ihrer Bürger beitragen, aber auch Weichenstellungen für die Zukunft treffen.
Ich nenne in dem Zusammenhang die gemeinsame Kontrolle der Außengrenzen der EU; die Schaffung einer gemeinschaftlichen Asylpolitik sowie die bessere Gestaltung von Instrumenten, um geregelte Zuwanderung zu ermöglichen. Die Mitgliedstaaten müssen auch Solidarität mit den Ländern zeigen, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Ebenso müssen wir die Ursachen für Flucht und Migration gemeinsam als Europäer bewältigen.
Wir müssen zudem die Demokratisierungs- und Modernisierungsprozesse in den Ländern der östlichen und südlichen Nachbarschaft engagiert unterstützen, um diese Länder widerstandsfähiger und stabiler zu machen. Auch die wirtschaftliche Hilfe dieser Länder durch Reformpartnerschaften, Investitionen und den Abbau von Handelshemmnissen für die Einfuhr ihrer Produkte in die EU kann nur gemeinsam erfolgen.
Den Herausforderungen durch Krieg und Terrorismus kann ebenfalls kein Staat allein erfolgreich begegnen. Wir brauchen deshalb eine engere außenpolitische Koordinierung. Hier geschieht in den letzten Monaten viel, wir haben seit einigen Monaten nun einen gemeinsamen Küsten- und Grenzschutz und bald wohl auch einen Europäischen Verteidigungsfonds. Gerade im Sicherheitsbereich können wir allerdings noch viel mehr tun. Dazu gehört eine engere Kooperation der Sicherheitsbehörden sowie ein besserer Datenaustausch bei der Terrorbekämpfung.
Die EU darf sich nicht damit zufriedengeben, auf Krisen nur zu reagieren. Unser Anspruch muss sein zu agieren; in unserer näheren Nachbarschaft Führung zu zeigen sowie globale Entwicklungen mitzugestalten. Dazu braucht es auch eine stärkere Integration der militärischen Strukturen der Mitgliedstaaten mit dem Ziel einer Europäischen Armee. Sie soll die NATO nicht ersetzen. Die NATO bleibt wichtig für die europäische Sicherheit. Aber die europäische Verteidigungsunion muss unser Ziel sein. Gleichzeitig müssen wir die nichtmilitärischen Aspekte der Sicherheit stärken.
Das bedeutet: Der EU-muss Haushalt zukunftsorientierter werden und besser die Handlungsprioritäten der EU widerspiegeln: Die Ausgaben für die Migrations-, die Außen- und Sicherheitspolitik müssen deutlich steigen. Gleichzeitig sollte der EU-Haushalt flexibler werden, um schneller auf Krisen und Herausforderungen reagieren zu können.
Zudem muss die EU zur Schaffung eines digitalen Binnenmarkts beitragen, um so die Zukunftsfähigkeit der EU zu gewährleisten. Eine Europäische Arbeitsagentur könnte die Durchlässigkeit der nationalen Arbeitsmärkte erhöhen und zur Verbesserung der Europäischen Arbeitsvermittlung beitragen.
 
 
Diese praktischen Maßnahmen wären wichtige Schritte, reichen aber allein nicht aus. Die EU muss sich auch viel mehr als Wertegemeinschaft begreifen, deren Kern die Würde jedes Menschen ist. Die EU muss raus aus der De-fensive und offensiv gegen Populisten und Nationalisten ar-gumentieren. Dem euroskeptischen Kurs der Angst und des Niedergangs muss eine positive europäische Antwort der Hoffnung und Zukunftsbejahung gegenübergestellt werden.
Sowohl die Mitgliedsstaaten als auch die Bürgerinnen und Bürger müssen sich als gemeinsame Wertegemeinschaft begreifen. Das bedeutet nicht die Verneinung kultureller, religiöser und gesellschaftlicher Traditionen der Mitglieds-staaten. Im Gegenteil! Wertegemeinschaft zu sein bedeutet vielmehr eine Rückbesinnung auf den gemeinsamen Grundwertekern der europäischen Einigung: die Würde des Menschen, Freiheit, Demokratie, Recht und Frieden. Die Prinzipien von Solidarität und Subsidiarität müssen und dabei leiten. Einheit in Vielfalt ist unser Leitbild.
Wir müssen zugleich das Verständnis für die Notwendigkeit einer europäischen Identität fördern und dafür unsere gemeinsame europäische Geschichte besser vermitteln.
Dazu soll das im Mai eröffnete Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel beitragen. Es ist ein Ort, der die Grundlinien der europäischen Geschichte vermittelt, um die jüngere Historie und die Gegenwart zu verstehen; ein Ort, der die gemeinsamen Werte der europäischen Einigung darstellt als Fortschritt des friedlichen Zusammenlebens; ein Ort, der die Bürgerinnen und Bürger ermutigen soll zu mehr Beteiligung an den europäischen Entscheidungsprozessen. Ein Ort, der uns zeigt, warum wir stolz auf das in Europa bislang Erreichte sein können.
Wir können aus unserer europäischen Geschichte und auch aus den letzten Jahren lernen: Das vereinte Europa entstand nicht in einem großen Wurf. Es entstand bzw. entsteht nach wie vor schrittweise und manchmal über Umwege. Deshalb ist es wichtig, die Erwartungen der Bürger nicht ins Unrealistische wachsen zu lassen und für Geduld zu werben. Wir brauchen eine kluge Verbindung von Leidenschaft und Geduld, um die Einheit Europas zu verwirklichen.
Die EU ist nicht das Paradies auf Erden. Doch verglichen mit anderen Regionen unserer Welt ist sie der bessere unserer einen Welt. Vor allem ist die Europäische Union Ausdruck für Frieden und Freiheit.
Dies zu bewahren, weiterzuentwickeln und in eine gute Zukunft zu führen, ist eine politische, vor allem aber moralische Verpflichtung für uns und für zukünftige Generationen!
Herzlichen Dank!
 

 

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