Lutherischer Bischof, Norwegen
|
Norwegen ist ein Land mit einer der geringsten Einwohnerzahl Europas. Am 22. Juli zerstörte eine Terrorbombe das Regierungsgebäude in Oslo und es fand ein Massaker auf der Insel Utoya statt. 77 Menschen wurden getötet und noch viel mehr verwundet. In unserer kleinen Bevölkerung haben wir alle den Verlust oder den Schmerz eines Angehörigen, eines Kollegen oder Freundes erlitten.
Einer der Getöteten war ein guter Freund von mir: ein brillanter junger Mann, ein zukünftiger Verantwortlicher in unserer Kirche und im politischen Leben. Der terroristische Angriff hat auch unsere Zukunft zerstört.
Ein Norweger hat unsere offene Gesellschaft attackiert und seine Attacke richtete sich besonders gegen die Anwesenheit von Muslimen in unserer Mitte. Wie kann man auf einen solchen Extremismus und das Böse reagieren, auf solche Einstellungen und die Rhetorik des Hasses?
Inmitten unserer Trauer und unserer Wut gaben aber junge Menschen unserer Zukunft eine Richtung. Ich traf in unserer Kathedrale einige von ihnen, die das Massaker überlebt haben und ich war berührt von ihrer Entschlossenheit. Was wir jetzt brauchen ist nicht weniger Offenheit, sondern mehr Zusammenleben und das Aufbauen von Vertrauen durch den Dialog. Eine junge Frau sagte: „Wenn eine Person soviel Böses tun kann, stell Dir vor wieviel Liebe wir zusammen erschaffen können.“
Die Menschen antworteten genauso. Sie gingen auf die Straße und schmückten unsere Straßen mit Blumen und Kerzen. Kirchen, Moscheen und Synagogen waren voll mit Leuten, die beteten. In der Kathedrale lasen wir die Seligpreisungen: „Selig die Trauernden, selig, die die hungern und dürsten nach der Gerechtigkei, selig die Barmherzigen, selig, die die Frieden stiften.“ Wir gingen auf die Straße, Christen und Muslime Hand in Hand, um einen neuen Sinn des Zusammenseins zu leben.
Die Blumen sind nun verwelkt. Aber der Geist der jungen Leute hat uns Hoffnung gegeben. Es ist keine naive Hoffnung, sondern ein demütiges Engagement im Sinne des Evangeliums für einen schwierigen Weg, der vor uns liegt: nicht Hass, sondern Liebe und Würde für jeden Menschen. Es ist unsere Bestimmung zusammenzuleben und dies im gegenseitigen Respekt, im Dialog und in der Nächstenliebe.
|