Aachen, 22.05.2009 (KAP) Prof. Andrea Riccardi, der Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio, wude am Donnerstag mit dem Aachener Karls-Preis ausgezeichnet. Das Leben des italienischen Historikers stehe für eine "tiefe Verbindung von Wissenschaft, Glauben und gesellschaftlichem Handeln", sagte der frühere Europaparlamentspräsident Pat Cox in seiner Laudatio im Aachener Rathaus. Riccardi habe sich 1968 als junger Mann "mit Bibel und Zeitung bewaffnet" und eine Gemeinschaft gegründet, die heute 60.000 Mitglieder in 70 Ländern zähle. Ihr sozialer Einsatz stehe "in kraftvollem Gegensatz zum selbstbezogenen Zynismus", der zur globalen Wirtschaftskrise geführt habe, so Cox.
Der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds, Michel Camdessus, hob als Festredner Riccardis Verdienste im Kampf gegen Armut, im Einsatz für den Frieden und im interreligiösen Dialog hervor. Sant'Egidio pflege "Freundschaft mit den Armen". Drogenabhängigen, AIDS-Kranken und Ausgegrenzten trete die Gemeinschaft "ohne Herablassung" gegenüber. In politischen Konflikten zeige sie eine "Diplomatie der schwachen Kraft". Camdessus: "Die Leute von Sant'Egidio verwirklichen ihren Traum, die Welt geschwisterlicher zu machen". Der Karls-Preis für den Gründer von Sant'Egidio bringe Hoffnung in einem Moment, "in dem das Weltsystem an seinen eigenen Exzessen zusammenzubrechen scheint".
"Die Welt braucht Europa"
Riccardi warb in seiner mit viel Applaus bedachten Dankesrede für ein starkes geeintes Europa. Der Kontinent stehe in der Gefahr, sich aus der Geschichte zu verabschieden und in "nationale und regionale Egoismen" zu verfallen, warnte der Historiker. Doch Europa dürfe nicht für sich allein leben. Dazu fordere das Christentum auf: "Die Welt braucht Europa, seine Menschlichkeit, die Stärke seiner Vernunft, seine Fähigkeit zur Vermittlung, seine wirtschaftliche Kraft, seine Kultur". Trotz Weltkriegen und Shoah könne Europa zu einem "Vorbild des Friedens" werden, so Riccardi: "Die Kultur des Zusammenlebens ist unsere Antwort auf den Terrorismus". Der Preisträger rief die europäischen Staaten insbesondere auf, sich nicht aus Afrika zurückzuziehen. Er plädierte für ein "Eurafrica", "zwei Kontinente, die auf gleicher Ebene vereint sind"
Vor dem Festakt hatte der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff in Konzelebration mit Kardinal Peter Turkson aus Ghana und Erzbischof John Onaiyekan aus Nigeria sowie Bischof Ambrogio Spreafico von Frosinone ein Pontifikalamt im Dom gefeiert. Spreafico sagte in seiner Predigt, die Botschaft des Karls-Preises 2009 sei ein Aufruf an die Europäer, trotz Wirtschaftskrise das Leid der Welt nicht zu übersehen und den "Schrei der Armen" zu hören. Riccardi sei ein Mensch von "tiefem Glauben und großer Menschlichkeit". Er sei fähig, einzelnen Menschen und ganzen Völkern "den Himmel der Hoffnung, des Mitleids, der Solidarität, des Friedens und der Liebe zu öffnen".
Der Karls-Preis ist eine der wichtigsten europäischen Auszeichnungen. Er wird seit 1950 Persönlichkeiten und Institutionen verliehen, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben. Preisträger waren u.a. Konrad Adenauer, Francois Mitterand, Helmut Kohl, Vaclav Havel und Bill Clinton. 2004 erhielt Johannes Paul II. einen Außerordentlichen Karlspreis.