| 12 Septembre 2012 |
Interreligiöses Treffen in Sarajevo endet mit Friedensappell |
Den versöhnlichen Worten am Dienstagabend gingen noch am Vormittag heftige Debatten zwischen orthodoxen und muslimischen Vertretern voran - Römischer Integrationsminister und Sant'Egidio-Gründer Riccardi vermittelte |
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Sarajevo-Rom (KAP) Mit einer Friedensprozession, einem Gebet und einem Aufruf aller Religionen zum Frieden ist am Dienstag in Sarajevo das größte interreligiös-interethnische Treffen in der Stadt seit den dort 1984 abgehaltenen Olympischen Winterspielen zu Ende gegangen. Das Thema der Begegnung auf Einladung der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio lautete "Zusammenleben ist die Zukunft - Religionen und Kulturen im Dialog". Das nächste derartige Treffen soll im September 2013 in Rom stattfinden, verkündete Sant'Egidio-Präsident Marco Impagliazzo.
Sämtliche Kirchenglocken - katholische und orthodoxe - der Stadt Sarajevo läuteten zum Abschluss der abendlichen Friedensprozession, an der Würdenträger der katholischen Kirche, mehrerer orthodoxer Landeskirchen, des Islam, des Hinduismus und des Buddhismus teilnahmen. Danach wurde auf dem zentralen Dom-Armije-Platz der Friedensappell verlesen.
"Gemeinsam in Frieden zu leben ist der Wille Gottes. Hass, Gewalt, Kämpfe und Genozid kommen nicht von Gott", heißt es in dem Text. Sarajevo, die Stadt des Beginns des Ersten Weltkriegs und die Stadt der Erinnerung an das größte Blutvergießen in Europa nach 1945, müsse mit dem Beispiel der Möglichkeit von Versöhnung und Neubeginn vorangehen, wie dies auch an allen anderen Konfliktorten der Welt funktionieren könne.
Allerdings waren den versöhnlichen Worten am Dienstagabend noch am Vormittag heftige Debatten zwischen den orthodoxen und den muslimischen Vertretern vorangegangen, wie internationale Medien berichteten. Anlass waren Äußerungen des serbisch-orthodoxen Patriarch Irinej, wonach das Christentum in Sarajevo "keine Zukunft" habe.
Ebenso soll Bischof Grigorije von Trebinje erklärt haben, der bosnische Großmufti Mustafa Ceric plane die Errichtung des ersten islamischen Staates in Europa, der allen Muslimen Europas eine spirituelle Heimat bieten wolle so wie es Israel den Juden der Welt biete. Dies führte laut Meldungen zu einer harschen Erwiderung Ceric', der von dem serbisch-orthodoxen Bischof gleichzeitig eine Anerkennung der Schuld der Serben für die Verbrechen im Zuge des Bosnien-Krieges von 1992 bis 1995 forderte.
Der Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio und jetzige italienische Minister für Integration und Entwicklungszusammenarbeit, Andrea Riccardi, übernahm die Rolle des Vermittlers. Riccardi betonte, es gebe "Unterschiede in den Botschaften, weil die Erinnerungen unterschiedlich sind". Allerdings gebe es bei allen Teilnehmern auch etwas, das stärker sei, nämlich "die Sehnsucht nach einem Klima des Friedens und der Koexistenz".
Sant'Egidio veranstaltet seine jährlichen Friedenstreffen nach dem Vorbild der historischen Weltgebetstage für den Frieden in Assisi (1986 und 2010) in verschiedenen Städten, um die Friedensbotschaft von Assisi zu verbreiten. Nach München im Vorjahr war diesmal, 20 Jahre nach Beginn von Bosnien-Krieges (1992-1995), Sarajevo Schauplatz.
Seit 2002 finden die Treffen immer im September statt, um auch der Opfer der Terroranschläge auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 zu gedenken.
Papst Benedikt XVI. rief in einem Grußwort zu einer "Allianz der Religionen" zum gemeinsamen Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit auf. Dieser Allianz sollten sich auch nichtreligiöse Menschen anschließen.
Die höchsten religiösen Würdenträger Bosniens und Serbiens ermutigten in ihren Eröffnungsansprachen zu einem Ende gegenseitiger Schuldzuweisungen, von Bitterkeit und Hass.
Die Belagerung von Sarajevo im Bosnien-Krieg hatte am 5. April 1992 mit der Einnahme des internationalen Flughafens durch die Jugoslawische Volksarmee begonnen. Sie endete am 29. Februar 1996 und war mit 1.425 Tagen die längste Belagerung im 20. Jahrhundert. Während der Belagerung wurden etwa 11.500 Menschen aller Ethnien getötet, darunter mehr als 1.000 Kinder.
Die im Mai 1968 in Rom entstandene katholische Bewegung Sant'Egidio widmet sich der karitativen Arbeit, der Diplomatie in Bürgerkriegsgebieten sowie dem Dialog der Religionen. Sie hat nach eigenen Angaben rund 60.000 Mitglieder in 70 Ländern, davon 5.000 in Deutschland. Ihr Hauptsitz befindet sich im römischen Stadtteil Trastevere. Seit 1986 ist die ökumenisch stark engagierte Gemeinschaft von der katholischen Kirche als Laienvereinigung anerkannt.
Gründer der Gemeinschaft ist der italienische Historiker Andrea Riccardi (62), derzeit Minister im Kabinett von Ministerpräsident Mario Monti. Für seinen Einsatz für Frieden wurde Riccardi 2009 mit dem Aachener Karlspreis ausgezeichnet.
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