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General Anzeiger

18 Mei 2013

„Ich will überleben, bis es ein Heilmittel gibt“

Constancia ist eine von 1,6 Millionen HIV-Infizierten in Mosambik. Mit finanzieller Unterstützung auch aus Bonn haben sie und ihre Kinder eine Chance, lange gesund zu bleiben

 
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Der erste Stich ist gemein. Eben noch hat Natalia ihr Köpfchen vertrauensvoll auf die Schulter der Mutter gelegt, schmatzend, die Augen geschlossen. Und dann das. Da hilft es auch nichts, dass der Frosch, der auf die safrangelbe Wand gepinselt ist, freundlich grinst. Natalia, 33 Tage alt und 2400 Gramm leicht, brüllt aus Leibeskräften, während die Krankenschwester ihr Blut für den ersten HIV-Test aus den Zehen zapft. Ihr Zwillingsbruder Carlton hat es hinter sich. Eine Helferin wickelt den Säugling in ein rot-goldenes Tragetuch und eine blaue Decke und setzt ihm eine Wollmütze auf. Es ist Dienstag, der 14. Mai; die "kalte" Jahreszeit in Mosambik hat begonnen - mit etwa 28 Grad im Schatten.
"Das ist ein entscheidender Moment für die Familie", sagt Dieter Wenderlein (47). "Auch wenn unser Labor einige Wochen braucht, bis die Blutproben ausgewertet sind." Dann wird mit großer Wahrscheinlichkeit feststehen, ob Natalia und Carlton während der Geburt infiziert worden sind. Mutter Constancia (36) ist seit Jahren HIV-positiv. Weil sie ein wirksames AIDSMedikament bekommt (siehe unten), liegt das Risiko für ihre Babys nur bei zwei Prozent, erklärt der Apotheker aus Würzburg. Ohne Medikamente wären es 40 Prozent. Selbst wenn der sogenannte PSRTest positiv ausfällt, müssen die Kinder nicht infiziert sein - es könnte sich sozusagen um "Rest"-Viren der Mutter handeln. Die Babys bekämen dann vorsichtshalber eine AIDS-Therapie. Ein erneuter Test in etwa einem Jahr würde endgültige Gewissheit bringen.
Dieter Wenderlein arbeitet für die katholische Laienorganisation Sant'Egidio (siehe rechts), die sich mit dem Dream-Programm (Drug Resource Enhancement against Aids and Malnutrition) auf die Mutter- Kind-Prävention konzentriert. Constancia ist mit ihren Zwillingen ins Gesundheitszentrum "Centro par a Crianca" gekommen, das Sant'Egidio seit 2007 im Zentrum der Hauptstadt Maputo betreibt. Hier werden kostenlos HIV-Tests, AIDS-Therapie und Beratung angeboten. Von den 4132 Patienten erhalten 3339 dauerhaft Medikamente, darunter 340 Schwangere und stillende Mütter. Jeden Monat kommen rund 30 neue Patienten dazu.
Die Villa aus der portugiesischen Kolonialzeit hat geflieste Behandlungszimmer, ein modernes Labor, einen Innenhof mit Bäumen und Blumen, und sie wirkt wie eine Oase in dieser lärmenden, staubigen, vermüllten 1,6-Millionen-Einwohner- Stadt mit ihren schlaglochzerfressenen Straßen und den verwitterten Hochhäusern, die neben spiegelverglasten Shopping-Centern über dem breiten Matola-River aufragen. Am Stadtrand wuchern Armutsquartiere mit winzigen Häusern aus Beton oder Wellblech.
Aus so einer Gegend kommt Constancia. Jetzt trägt sie ihre Babys über den Innenhof des Gesundheitszentrums ins nächste Behandlungszimmer. 30, 40 Frauen warten geduldig auf Plastikstühlen, bis sie aufgerufen werden. Im Behandlungsraum knipst Archa, eine junge Ärztin, die Klimaanlage aus, weil die Säuglinge erkältet sind. Sie bettet Natalia auf eine Liege, prüft Hände, Füße, Bauchnabel. "Sehr gepflegt", sagt sie. "Auch die Reflexe sind gut." Nur zunehmen müssen die Geschwister, weshalb Constancia heute nicht nur ihre Monatsration AIDSTabletten, sondern auch ein Lebensmittelpaket mitnehmen wird: Öl, Hirse, Reis, Zucker.
Unterdessen schreit sich der kleine Carlton die Seele aus dem dürren Leib. Miriam Clark nimmt ihn auf den Arm und singt leise ein deutsches Schlaflied. Das wirkt. Kein Wunder bei dieser Stimme: Noch vor wenigen Tagen hat die 32- Jährige in der Bonner Oper die "Norma" gegeben. Jetzt ist sie mit Apotheker Wenderlein und Ulrich Heide, dem Geschäftsführer der Deutschen AIDS-Stiftung, in Mosambik, um sich ein Bild vom Dream- Programm zu machen. Clark ist Botschafterin der Stiftung, die das Projekt unterstützt. Bei einer Benefiz-Gala zugunsten der HIV-Bekämpfung wird die Münchnerin nächste Woche in Bonn auftreten. Für die Reise nach Mosambik hat sie ihre Flugangst überwunden. Es ist auch eine Reise zu ihren eigenen Wurzeln: Clarks Urgroßvater stammte aus Südafrika. "Es geht mir darum, ein Zeichen zu setzen", betont sie. "Wir Künstler können den Betroffenen helfen."
Hilfe ist etwas, das Mosambik gebrauchen kann: eines der ärmsten Länder der Welt, rund die Hälfte der Erwachsenen Analphabeten, viele Menschen ohne ausreichende Nahrung und Zugang zu sauberem Wasser. Jedes fünfte Kind stirbt, bevor es ein Jahr alt wird. Neben Malaria ist HIV die große Geißel: Nach staatlichen Angaben sind elf Prozent der Bevölkerung infiziert. In Maputo und anderen Provinzen liegt die Rate allerdings weit über 20 Prozent. Die UN sprechen von insgesamt bis zu 1,6 Millionen HIV-Infizierten. Rund 500000 Kinder leben als Folge von AIDS als Waisen oder in unsicheren sozialen Verhältnissen. Und die Epidemie wächst weiter. "Als wir 2002 angefangen haben, hielten das viele für aussichtslos", sagt Apotheker Wenderlein. Mittlerweile arbeitet Sant'Egidio allein in Mosambik in zwölf AIDS-Zentren. "Es gibt keinen Grund zur Resignation. Wir wissen jetzt, dass es möglich ist, im großen Maßstab etwas zu verändern." Für den Pharmazeuten kommt es darauf an, möglichst viele Infizierte auf hohem Qualitätsniveau zu therapieren. Das könne nur die Regierung mit ihren bislang 316 AIDS-Anlaufstellen leisten. "Dafür braucht sie mehr Geld, mehr Kapazitäten und Unterstützung von Partnern wie uns."
Die Dream-Leute kooperieren zum Beispiel mit dem staatlichen Hospital in Chicumbane, 200 Kilometer nordöstlich von Maputo. Eine Ansammlung von Flachbauten aus den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, von der Landstraße aus nur über eine Holperpiste zu erreichen. Vor einem der verblichenen Häuser hocken Mütter mit ihren Kindern im rötlichen Staub und warten auf eine Impfung. "Wir haben eine nationale Gesundheitswoche und impfen zum Beispiel gegen Polio und Lungenentzündung", sagt der medizinische Direktor Andrade Tamele, ein kleiner Mann mit leichtem Bauchansatz und Stethoskop um den Hals. Er spricht mit tiefer, leiser, fast schleppender Stimme und ist nicht nur der Chefarzt hier - er ist einer von insgesamt zwei Ärzten für den ganzen Distrikt Xai-Xai mit 220000 Einwohnern, von denen 22,8 Prozent HIV-positiv sind. Tendenz: steigend. Unterstützt werden die zwei Doktoren von sechs "technischen Medizinern", die nicht so umfassend ausgebildet sind, aber ärztliche Aufgaben erledigen. Das Hospital hat keinen Operationssaal und nur ein winziges Labor. 6012 Aidskranke sind in Therapie, darunter 572 Kinder. Weitere 8557 HIV-Positive stehen in den Akten.
Wenn man den Doktor fragt, welche Probleme ihn drücken, zögert er, weil er weiß, dass die Distriktsbehörde nachhaken wird, was er den Europäern gesagt hat - die Schatten der sozialistischen Vergangenheit des Landes. Doch dann zählt er leise auf. Sie brauchen ein neues Gebäude, um die Platznot zu mildern. Genug AIDS-Medikamente, die von der Regierung mit internationalen Hilfsgeldern gekauft und verteilt werden, seien auch nicht immer da. Es komme sogar vor, dass die Wasserversorgung zusammenbreche. "Wir waren mal eine ganze Woche ohne Wasser", erzählt Tamele. Aber viel schlimmer sei wie überall im Land der Mangel an qualifiziertem Personal, auch bei den Krankenschwestern. "Ich selbst mache drei Jobs. Erst die stationären Patienten, dann die Ambulanz, dann Administration. Abends bin ich oft erschöpft."
Andrade Tamele ist froh, dass er jetzt nicht mehr allein steht. Seit Februar unterstützt das Dream- Team das Hospital bei der Behandlung infizierter Schwangerer. Sie haben ihr eigenes Computerprogramm mitgebracht, das die Patientendaten effektiver verwaltet; sie haben das Personal weitergebildet. Nun setzt man auch bei den Schwangeren in Chicumbane die wirksamen Dreifachtabletten ein. "Wir haben viel gelernt", berichtet Tamele. Seine Mitarbeiter wenden den PCR-Test an, um zu sehen, ob bei den Babys die Infektion verhindert worden ist. Das Problem: Weil in Mosambik Labore fehlen, werden die Proben erst nach Maputo gefahren und dann ins 2000 Kilometer entfernte Nampula geflogen. Bis das Ergebnis wieder in Chicumbane ankommt, vergehen bis zu drei Monate: ein Zeitverlust, der das Risiko für die Kinder erhöht. Tamele hofft, dass Dream mit seinem Labor in Maputo helfen kann.
"Wir werden das diskutieren", verspricht Ines Zimba, die ärztliche Leiterin des Dream-Programms. Die 59-Jährige - ernstes Gesicht, das Haar unter einem schwarzen Kopftuch verborgen - bleibt für einige Tage in Chicumbane, um das Hospital zu beraten. Seit elf Jahren führt sie ihren ganz persönlichen Kampf gegen die Epidemie. "Am Anfang", erinnert sich die Ärztin aus Maputo, "habe ich geweint, weil ich nichts hatte, um den Menschen zu helfen." Das ist heute ganz anders. Aber es geht nicht nur darum, Tabletten zu verabreichen. Der erste Kontakt zu den Patienten sei entscheidend, sagt Zimba. Diese eine Stunde, Auge in Auge, in der es wichtig sei, mehr zuzuhören als zu reden, mit Geduld und Respekt. Dann sei die Chance gut, dass die Infizierten wiederkommen. "Nicht HIV tötet, sondern die Scham", erklärt Zimba. Die Angst vor dem Stigma, der Diskriminierung, vor der Ablehnung durch Nachbarn und Familie. Noch immer gibt es infizierte Schwangere, die lieber eine Ansteckung ihres Babys riskieren, als ihrem Mann zu offenbaren, dass sie krank sind. Issufo Antonio Potina weiß, wie sich das anfühlt.
Der breitschulterige 35-Jährige mit dem scheuen Lächeln sitzt im Schatten eines Baumes vor der staatlichen AIDS-Station im Hospital von Macia, 150 Kilometer von Maputo entfernt, und erklärt, warum er mit seiner Familie aus der Hauptstadt in die dörfliche Kleinstadt gezogen ist. Issufo ist ein "Aktivista", ein HIV-Positiver, dem Sant'Egidio das Leben gerettet hat - und der nun andere Leben retten will. Sein drittes Kind wurde im Dream- Programm geboren. Gesund. Inzwischen ist Laticia sieben. In Macia hilft Issufo, das Dream-Modell zu installieren. Er arbeitet am Computer und erklärt neuen Patienten, was ihre Krankheit wirklich bedeutet. Er und die anderen "Aktivistas" sind die lebenden Beweise dafür, dass die Medikamte wirken; darum sind sie so glaubwürdig.
Wenn ein Patient seinen Termin im Gesundheitszentrum versäumt, macht Issufo mit einem Hausbesuch Druck. Zumindest bei einigen. Denn es sind so unvorstellbar viele HIV-Positive: Rund 15000 allein rund um Macia, davon etwa 5000 in Therapie. Auch hier fehlt Personal. Und immer wieder bleibt der Tablettennachschub aus, manchmal wochenlang. Dann nimmt das Hospital keine neuen Patienten auf. Dabei kommen jeden Monat rund 50 neue Schwangere, die das Virus in sich tragen.
Issufo will, dass die Mosambikaner begreifen, wie gefährlich Aids ist. Deshalb geht er in die Schulen, um aufzuklären. Zum Schutz empfiehlt Sant'Egidio, stillschweigend geduldet von der katholischen Amtskirche, auch den Gebrauch von Kondomen. "Die Schüler glauben oft gar nicht, dass ich infiziert bin, weil ich so gesund aussehe", erzählt der Aktivist. Dann zeigt er den Schülern Fotos aus der Zeit, in der die Krankheit in ihm wütete. "Das erschreckt sie." Häufig werden die Jugendlichen in eins der Gesundheitszentren eingeladen, um ihnen zu beweisen, dass eine Therapie in guter Qualität möglich ist. "Die Leute sind heute insgesamt besser informiert über HIV", meint Issufo. Auch die Therapie sei landesweit besser geworden. "Aber viele Gesundheitszentren sind überlastet." Die mosambikanischen Politiker müssten endlich mehr handeln als reden. "Denn dann", glaubt der 35-Jährige, "gibt es bald noch viel mehr Menschen wie mich."
Im "Centro par a Crianca" in Maputo sitzt Constancia mit den Zwillingen in der Medikamentenausgabe. Sie bekommt ihre Tabletten sowie drei Dosen Milchpulver zum Zufüttern. Bis die Testergebnisse vorliegen, werden quälend lange Wochen vergehen. "Ich bete zu Gott, dass die beiden negativ sind", sagt die Mutter. Sie hat schon zwei ältere Töchter, und Dercia, die Fünfjährige, ist 2008 mit Dream-Hilfe gesund geboren worden. Während der Schwangerschaft mit Dercia hatte Constancia von ihrer eigenen Infektion erfahren. Als sie es ihrem Mann sagte, verließ er sie. Ihr neuer Partner, der Vater von Carlton und Natalia, ist jetzt auch abgehauen. Ihren Job bei einer Sicherheitsfirma kann sie wegen der Kinder nicht mehr machen. Hilfe bekommt sie nur von ihrer Mutter. Es ist ein hartes Leben.
"Nach dem HIV-Test hatte ich furchtbare Angst, bald zu sterben", erinnert sich die 36-Jährige. Erst nachdem sie mit einer Dream-Aktivistin gesprochen hatte, begann sie, an die Medikamente zu glauben. Sie geht sehr sorgsam mit den Tabletten um. "Ich möchte überleben", sagt Constancia. "So lange, bis ein Heilmittel gefunden ist." Gemeinsam mit ihrer Mutter wird sie jetzt mit den Zwillingen und dem Lebensmittelpaket nach Hause fahren. In ihrer kleinen Wohnung wird sie kochen. Kein Fleisch, das gibt es selten, weil es teuer ist. Sondern Cima, einen Mehlbrei, und Matapa, Maniokblätter. Die großen Schwestern von Natalia und Carlton mögen das Gericht, versichert die Mutter. Sie lächelt, zum ersten Mal an diesem Tag.

Von Andreas Baumann (Texte)
und Ulrich Heide (Fotos)


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