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11 Dezember 2010

"Habt Mut, fürchtet euch nicht!" - Die Predigt von Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen am dritten Adventssonntag in der Basilika Santa Maria in Trastevere, Rom


 
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"Habt Mut, fürchtet euch nicht!" - Die Predigt von Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen am dritten Adventssonntag in der Basilika Santa Maria in Trastevere, Rom

Am Samstag, den 11. Dezember, hat Kardinal Kurt Koch, der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen die Gemeinschaft Sant'Egidio besucht und den Vorsitz der Eucharistiefeier in der Basilika Santa Maria in Trastevere übernommen.

Die Predigt vom dritten Adventssonntag "Gaudete":

DER GEGENPOL DER FREUDE IM CANTUS FIRMUS DER MENSCHLICHEN ANGST[1]

"Habt Mut, fürchtet euch nicht!" Dieser Aufruf steht im Mittelpunkt der Rede des alttestamentlichen Propheten Jesaja und möchte die Augen des Volkes Gottes öffnen, damit es das verheißene messianische Heil wahrnimmt. Der Prophet hat sicher gute Gründe für seine Sprechweise. Trotzdem kann man fragen, mit welcher Autorität er diese Verheißung verkündet, die beim von Angst gequälten Volk eher auf Skepsis als auf Vertrauen stoßen könnte. Diese Haltung ist heute erkennbar, wenn zum Beispiel Politiker die Bürger überzeugen möchten, ihre Ängste abzulegen, oder sie sogar daran hindern wollen. Vor den Menschen, die durch tragische Ereignisse der heutigen Welt erschrecken, behaupten sie, dass die Angst ein sehr schlechter Ratgeber für die Politik ist. Kann man die Angst jedoch nur durch Worte auslöschen, besonders wenn die Angst vollkommen gerechtfertigt ist? In unserer Welt zeigen sich nämlich Phänomene, die zurecht große Sorge bereiten, wie zum Beispiel der Tod von Millionen von Menschen in der sogenannten Dritten Welt, die nun schon fortgeschrittene Zerstörung der Ozonschicht und die Globalisierung der Wirtschaft. Auch heute ist nicht zu leugnen, dass das Leben der Menschen grundlegend von der Angst geprägt ist.

Die Angst vor dem "futurum" und die Hoffnung des "adventus"

Deshalb stellt sich die Frage, ob man solche Ängste zum Schweigen bringen kann oder ob dieser Versuch überhaupt richtig ist, wie es scheinbar auch Jesaja in der heutigen Lesung tut. In der heutigen Lage hilft uns allein ein aufmerksames Hören auf das, was der Prophet wirklich sagen möchte. Denn Jesaja ruft das Volk nicht nur auf, keine Angst zu haben, sondern erwähnt den genauen Grund, warum sich das Volk nicht fürchten muss: "Seht, hier ist euer Gott! Die Rache Gottes wird kommen und seine Vergeltung; er selbst wird kommen und euch erretten". Die Befreiung von der Angst ist nicht möglich wegen der aktuellen Lage der Welt, sondern allein weil Gott existiert und weil er kommt.
Durch die Vermittlung dieser Botschaft unterscheidet sich der Prophet eindeutig von der heutigen Politik, die die Ängste der Bürger durch Überzeugung mit eigenen Reden zerstreuen möchte. Er greift nämlich die Ängste seines Volkes auf, er nimmt sie ernst und erwähnt insbesondere den Grund dafür, warum sich das Volk nicht mehr zu fürchten braucht. Genau so. Jesaja verweist auf den einzig gültigen Grund für die Hoffnung des Volkes: "Habt Mut, fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer Gott!" Nur wer diese Verheißung mit der legitimen Autorität aussprechen kann, hat das Recht und die Fähigkeit, den Menschen zu helfen, ihre Angst zu überwinden und ihnen im besten Sinn des Wortes Mut zuzusprechen.
Hier zeigt sich der tiefere Grund, warum die vom Propheten Jesaja angekündigte Zeit, auf die auch wir heute hoffen, nicht "futurum" sondern "adventus" genannt wird. Zwischen diesen beiden Wirklichkeiten gibt es einen abgrundtiefen Unterschied. Von einem rein irdischen und damit auch politischen Gesichtspunkt aus können wir die Zukunft nur als Ableitung unserer Gegenwart ansehen, sodass die Zukunft keine größere Hoffnung als unsere Gegenwart bereit hält. Anders ist der Advent als eine Zeit, die von der Zukunft aus in unsere Gegenwart eindringt. Advent bedeutet nicht einfach Zukunft, sondern Ankunft. "Adventus" ist die lateinische Übersetzung des griechischen Wortes "parusia". Diese Wort wurde in der Antike als besonderer Ausdruck für die Anwesenheit eines Königs verwendet, der seinen Untertanen die Zeit seiner Gegenwart, seiner Anwesenheit, seiner Parusie schenkt.
Auch im christlichen Glauben handelt es sich um eine Ankunft, nicht um die Gegenwart irgendeines Königs, sondern um die Parusie jenes Gottes in unserer Welt, dem allein der Verdienst zukommt, König der Welt genannt zu werden. Es handelt sich um die Gegenwart Gottes, die schon begonnen hat: Denn Gott ist schon anwesend, auch wenn er oft verborgen bleibt. Genau deshalb ist seine Anwesenheit nur anfänglich und noch nicht zur Vollendung gelangt, sie wächst aber, sie ist im Kommen, sie reift heran und wird nur erst ganz geschenkt, wenn sich die Parusie Gottes in Fülle bei der Rückkehr Christi ereignet. Die Adventszeit weist auf die Ankunft Gottes hin, eine schon begonnene Ankunft, die aber nur anfänglich ist.

Der Advent als Heilung für die Sinne des Menschen

Im Licht des gerade Gesagten fragt man sich spontan, woran man erkennen kann, dass die Ankunft Gottes in der Welt schon begonnen hat. Der Prophet Jesaja bezieht sich auf die Reinigung und Heilung unserer Sinne und Lebensorgane: die Augen der Blinden können wieder sehen, die Ohren der Tauben können wieder die Worte der anderen vernehmen, die Zunge des Stummen jauchzt auf vor Freude, die Beine des Lahmen springen wie ein Hirsch. Der Advent Gottes in unserer Welt ereignet sich dort, wo sich die Worte des Propheten erfüllen. Wo Blinde, die orientierungslos umhertappen, von einem Lichtstrahl erleuchtet werden, der ihr Leben wieder hell macht. Wo durch den Lärm der heutigen Welt verschlossene Ohren wieder genau die leise Stimme eines Menschen hören, der sie aus dem Bedürfnis anspricht. Wo vor vielem Leid stumm Gewordene wieder sprechen, weil ihnen ein Mensch mit seiner Liebe entgegenkommt. Wo Lahme, die resigniert und verzweifelt auf ihre Existenz verzichtet haben, wieder laufen lernen, weil sich in ihrem ausweglosen Leben ein neuer Weg aufgetan hat. Und sogar wo Tote, die wissen, dass sie schon lebendig begraben waren, wieder auferstehen, weil ihr in Leblosigkeit versunkenes Leben endlich aufgeweckt wird und ein neues Ja ihnen Flügel verleiht.
Wo immer das Wirklichkeit wird, ist Advent. Und wir sind nicht zu einer trägen Erwartung verdammt. Denn Gott möchte auch heute seinen Advent vollbringen und seine Gegenwart durch uns Gläubige schenken. IN unserem Glauben, in unserer Hoffnung und in unserer Liebe möchte Gott selbst sein Licht des Advents in der Nacht der Menschheit aufleuchten lassen, wie Papst Benedikt XVI. bei seinem Weihnachtsbesuch bei der Gemeinschaft Sant'Egidio im vergangenen Jahr in so schöner Weise betont hat und diese Gemeinschaft ermutigte, ihren Einsatz fortzusetzen, damit sie eine Familie für viele einsame und bedürftige Menschen werde und den alten Begriff "caritas" neu aktualisiere.
Nur auf diesem Weg können wir auch die Menschen unserer Zeit für die Ankunft Gottes sensibilisieren. Denn heute verhalten sich viele wie Johannes im Evangelium, der seine Jünger aus dem Gefängnis zu Jesus schickt und sie fragen lässt, ob er der ist, der kommen soll oder ob sie auf einen anderen warten müssen. Auch wenn wir als Christen wissen, dass Gott schon seit langer Zeit unter uns ist, stellen wir weiter diese Frage, weil wir die Gegenwart Gottes zu häufig nicht erkennen. Die Antwort Jesu unterscheidet sich nicht von der Antwort des Propheten Jesaja: die Blinden werden sehen, die Lahmen werden gehen, die Toten werden auferstehen und die Aussätzigen werden wieder rein.
Auf den ersten Blick könnte der Eindruck entstehen, der Akzent würde auf außerordentliche und wundersame Ereignisse gelegt. Doch wenn wir den letzten Satz des Evangeliums hören, der sagt, dass die Kleinsten im Himmelreich größer sind als der Größte, verstehen wir, dass der Evangelist das Kleinsein Jesu hervorheben möchte, sein Unbekanntsein, um damit die frohe Nachricht zu verbinden, nach der gerade in diesem Kleinsein Jesu deutlich die neue und wahre Größe aufblüht, vor der die Großen der Welt elendig klein erscheinen.

Das Heil in der Figur des Lammes

Daher verkündet Johannes der Täufer den kommenden Messias als Lamm. Das ist die wahre Tiefe des Advents: Gott verwirklicht seinen Advent in der Welt nicht als Löwe oder Wolf, wie es die Menschen damals erwarteten und auch heute noch sehr häufig erhoffen. Er kommt nicht als Löwe, dessen Bild ständig von Herrschern der Welt verwendet wird, um sich darzustellen und ihre Macht und Herrschaft eindeutig zu zelebrieren. Er kommt auch nicht als Wölfin wie im Bild für das antike Rom mit seiner auf die Erhaltung der Ordnung ausgerichteten Macht zur Rettung der Welt. Der christliche Advent erinnert uns daran, dass unser Heil nicht von großen und starken Tieren kommt, sondern vielmehr dass Gott als ein Lamm zu uns kommt mit der Kraft seiner schutzlosen Liebe, die das Wirken seiner Macht konkret zum Ausdruck bringt. Gott ist der gute Hirt seines Volkes, gerade weil er selbst zum Lamm wird und sich auf die Seite der gepeinigten Lämmer stellt: "Gott kommt als Lamm; das ist das Heil der Welt"[2]
Diese schutzlose Figur weist darauf hin, dass das Heil Gottes in der Welt immer gegenwärtig ist und nur als Wirklichkeit, der widersprochen wird. Denn dieser Gott, der als Lamm zu uns Menschen kommt, kann von denen nicht ertragen werden, die sich ihn als Löwe oder Wolf erwarten. Er kann auch nicht bei denen Achtung finden, die selbst Löwen und Wölfe sind. Sie erkennen in ihm nicht das Heil. Eher wenden sie sich gegen ihn und zerreißen ihn. Deshalb gehört das Kreuz schon im Advent zum Geheimnis Jesu. Das Leben als Lamm und das Kreuz sind untrennbare Wirklichkeiten.
Der Advent stellt uns daher eine Reihe von Fragen: Welche Auffassung haben wir von uns und welchen Gott erwarten wir? Der christliche Advent ereignet sich nur, wenn wir nur vom Lamm befreit werden möchten und wenn wir sein Heil besonders als Reinigung und Heilung unserer Sinne auffassen, also in der Fähigkeit, unsere Augen für das Kommen Gottes in die Welt zu öffnen, unsere Ohren für das Evangelium zu öffnen, unsere Taubheit zu überwinden und Gott zu loben, unsere gelähmten Beine zu bewegen und Gott zu den Menschen zu bringen. Besonders ereignet sich der christliche Advent, wenn wir heute das tun, was damals Johannes der Täufer tat. Er hat den Weg gewiesen und mit dem Finger auf den gezeigt, der kommt, der schon verborgen unter uns ist. Durch sein Leben hat Johannes deutlich gezeigt, dass das Heil sich nur im schutzlosen Lamm vollzieht. Er hat für den Zeugnis abgelegt, der das wahre Licht der Welt ist.
Der christliche Advent ist dort, wo wir heute diesen Dienst des Täufers erfüllen, der wirklich der wahre Dienst des Advents ist. So kann auf der Angst, die die Menschen auch heute grundlegend prägt, der Gegenpol dieser Freude aufleuchten, die seit alter Zeit dem dritten Adventsonntag den Namen "Gaudete" gegeben hat. Dieser Name kommt genauer genommen vom Aufruf, den der Apostel Paulus in seinem Philipperbrief ausspricht: "Freut euch im Herrn! ... Der Herr ist nahe". Dass dies kein oberflächlicher Aufruf zur Heiterkeit und Gutmütigkeit ist, erkennt man an der Tatsache, dass Paulus aus dem Gefängnis schreibt. Er ruft zu einer Freude auf, die sich auch in den Widerständen des Lebens zeigt. Zu dieser Freude ruft uns der Advent auf, nicht zu einer Freude, die wir uns selbst erwerben und die selten lange Zeit Bestand hat, sondern zur Freude, die Gott selbst für uns hegt und die sich vom Vertrauen nährt, dass der Herr, der gute Hirt unseres Lebens, uns als Lamm entgegen kommt und uns seinen Advent schenkt.


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[1] Homilie bei der Eucharistiefeier der Gemeinschaft Sant'Egidio in Trastevere, am 11. Dezember 2010
[2] J. Ratzinger. Freude in Christus, 643, in: Idem.. Gesammelte Schriften Voi 12: Künder des Wortes und Diener Eurer Freude. Theologie und Spiritualität des Weihesakramentes (Freiburg i. Br 2010) 642-649.


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