Am Samstag kamen etwa 2.000 Sinti und Roma im Vatikan zu einer Audienz bei Papst Benedikt XVI. zusammen – und lenkten damit auch den Blick auf ihre eigene Situation in Italien: schleppende Integration - und ein Staat, der noch immer wenig tut, daran etwas zu ändern.
Anlass war die Wallfahrt von Roma-Gruppen zum 75. Todestag des Märtyrers Zeffirino Gimenez Malla (1861-1936). Im Spanischen Bürgerkrieg wurde er wegen seines katholischen Glaubens von den Republikanern getötet. Papst Johannes Paul II. sprach ihn 1997 als ersten Roma selig.
Seit dem 15. Jahrhundert kommen Roma insbesondere aus Indien nach Europa. Eines der ersten Dokumente, das von ihrer Anwesenheit in Italien zeugt, ist die Cronica di Bologna von 1422. Das Papier gibt Auskunft über Herzog Andrea, der zusammen mit seinen Leuten aus Ungarn nach Bologna kam. Von einem ungarischen Herrscher war diese Roma-Gruppe gezwungen worden, sich zum Christentum zu bekennen; wer sich weigerte, wurde getötet. Die neu Getauften dagegen erhielten einen Schutzbrief, um nach Rom zu pilgern. Der Schutzbrief erlaubte ihnen der Cronica zufolge, „überall zu stehlen, ohne hingerichtet zu werden“. Damals, so heißt es, hätten die Roma über sich selbst erzählt, sie kämen ursprünglich aus Indien und seien „nicht sehr sittsam“.
Voreingenommenheit in der Gesellschaft
Bis heute hält sich diese Beschreibung in der italienischen Bevölkerung. „Die Voreingenommenheit in der Gesellschaft sitzt fest“, sagt Cesare Zucconi von der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio in Rom, die seit Jahrzehnten für die Roma engagiert. Er ist überzeugt, dass ihre Integration trotz großer kultureller Unterschiede möglich sei. In Rom leben rund 6.000 Sinti und Roma. Wie in anderen Städten Italiens sind sie überwiegend in Barackenlagern am Stadtrand untergebracht - ohne Strom und Heizung, oft mit nur einem Wasserhahn für rund 600 Menschen, ohne Hygieneversorgung und ohne Zugang zu Bildung und Arbeit. „Die Lösung der Geschichte liegt bei den Kindern“, sagt Zucconi. Wohnung und Ausbildung sind die Schlüsselworte, die er nennt.
Allerdings könnten die Kinder nur unter schwierigen Bedingungen zur Schule gehen. Zwar gebe es einen Schulbus der Stadtverwaltung, der die Roma-Kinder von ihren Lagern abhole, doch dieser Bus komme erst Stunden nach Schulbeginn an. Ein weiteres Problem sei die „Vertreibungspolitik“, so Zucconi: Wohnungen würden an Roma nicht vergeben, Lager würden immer wieder zerstört und Familien getrennt.
Zum Teil schon seit Jahrzehnten im Land
„Um die politische Farbe geht es dabei nicht“, meint der Sant“Egidio-Sprecher. Alle Parteien Italiens sähen in dieser Ethnie eine Bedrohung für die Sicherheit. „Keiner will sich mit einer vernünftigen Politik die Finger verbrennen“. Roms rechtskonservativer Bürgermeister Gianni Alemanno etwa habe vielmehr Plakate anbringen lassen, auf denen steht: „Wieder ein Lager geräumt“. Gleich nach seiner Wahl vor gut drei Jahren hatte der Bürgermeister einen „piano nomadi“ aufgelegt, seinen „Plan für die Nomaden“. Mehr als 60 Räumungsaktionen habe er seither zu verantworten.
Die meisten der 120.000 bis 170.000 Roma in Italien leben schon seit Jahrzehnten, teils seit Jahrhunderten im Land. Ungefähr 70.000 besitzen die italienische Staatsbürgerschaft. Seit den 90er Jahren kamen Roma aus den Ländern Ex-Jugoslawiens sowie aus Rumänien hinzu. „Als Rumänen sind sie EU-Bürger mit dem Recht auf Freizügigkeit“, so Zucconi. Man könne sie nicht einfach zurückschicken.
Wie stark die Ablehnung gegenüber der Ethnie ist, zeigten in Italien weit verbreitete Vorurteile, dass „zingari“ (Zigeuner) Unglück brächten oder Kinder stählen, sagt er. In Neapel beschuldigte etwa 2007 eine junge Frau ein Roma-Mädchen, es habe ihr Baby entführen wollen. Diese Zeugenaussage genügte, um die Roma-Angehörige zu einer mehrjährigen Haftstrafe zu verurteilen. So ist ein Wind, der die Roma in der Vergangenheit trieb, und der heute zuweilen stärker bläst denn je, sicherlich der Wind der Intoleranz.