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Bildung, Arbeit, interkultureller Dialog, Wohnung, Rechtsschutz. Die Erfahrung der Gemeinschaft Sant'Egidio wirft ein Licht auf die zahllosen Aspekte des langen Weges, der einen "Fremden" in einen "Bürger" verwandelt. Angst machende Berichte sind ein Hindernis für die Integration. 1979 wurde die Gemeinschaft Sant'Egidio plötzlich auf das Thema der Fremden gestoßen. Es hatte sich nämlich eine tragische Episode ereignet: am 22. Mai des Jahres zündeten Unbekannte einen somalischen Flüchtling mit Namen Alì Jama an, während er auf seinen Pappkartons auf dem Vorplatz einer alten Kirche in der Nähe der Piazza Navona schlief. Sein tragischer Tod war für uns Anlass, um über die neue Anwesenheit von Immigranten und Flüchtlingen in Italien und Europa nachzudenken. Die Gemeinschaft organisierte eine Gebetswache für die Stadt und lud den wenige Monate zuvor zum Papst gewählten Johannes Paul II. ein, an diesen unbekannten Mann zu erinnern. Der Papst akzeptierte den Vorschlag und erinnerte beim Angelus am 27. Mai mit Alì an alle Migranten. Seitdem setzt sich Sant'Egidio durch konkrete Begegnungen und Initiativen für Fremde und Flüchtlinge, statt abstrakte Diskussionen über eine Kategorie zu führen. Immigranten benötigen einen Schlüssel, um wirklich Glieder der neuen Gesellschaft werden zu können. Deshalb begann die Gemeinschaft 1982 mit den ersten Sprachkursen und benannte die neue Schule nach Louis Massignon, dem berühmten Orientalisten, der als Freund und Beschützer der Araber in den französischen Überseegebieten bekannt war und den Maghrebinern in Paris Französisch beibrachte. Nach über 30 Jahren ist diese "Louis-Massignon-Schule" neben Rom auch in anderen italienischen und europäischen Städten tätig und vermittelt die Sprache des jeweiligen Gastlandes. Mittlerweile hat sie sich zu einer Einrichtung nicht nur der sprachlichen Integration entwickelt, wenn man bedenkt dass allein in Italien Schüler aus 120 Nationen die Kurse besucht haben. In den ersten Jahren kamen viele Afrikaner in die Schule, heute sind es auch viele Menschen aus Osteuropa. Ebenso werden die Kurse von zahlreichen Asiaten insbesondere Bengalen und Chinesen besucht. Die geographische Zusammensetzung der Kursteilnehmer in den verschiedenen Jahren war eine Art Fotografie der Zuwanderung nach Europa. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung in Bezug auf eine angebliche Tendenz zur Selbstisolation der Immigranten sind die Sprachkurse immer gut besucht, die Zahl der Anmeldungen steigt stetig an. Durch die Teilnahme an den Sprachkursen bringen die Immigranten ihren Wunsch zum Ausdruck, sich in unseren Ländern zu integrieren. Sie kommen häufig in ihrer Freizeit, sodass Kurse überwiegend am Abend und auch am Wochenende angeboten werden, um besonders Frauen Möglichkeiten zur Kursteilnahme zu gewähren, die in Familien arbeiten. Neben den Sprachkursen vermittelt die Schule daher auch Inhalte zur Staatsbürgerkunde und Integration. Dadurch lernt man die Kultur des Gastlandes in unterschiedlicher Hinsicht kennen und beschäftigt sich zudem mit Problemen wie den Fragen von Rassismus, Frieden, Zusammenleben der Kulturen oder Umgang mit Konflikten neben Themen der Grundlagen eines demokratischen Systems und von Entwicklungen der aktuellen Geschichte. Dadurch wird die Integration in der neuen Heimat gefördert. Die Sprachschule dient somit dem Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Kultur. Die Schüler der Klassen sind daher nie aus einem Land, um Gelegenheiten zur Begegnung zu fördern und Freundschaften unter unterschiedlichen Personen aufzubauen, die sich normalerweise kaum begegnen würden. Dadurch wird diese Sprachschule zu einem konkreten Modell für Integration und Zusammenleben. Jonathan Sacks schreibt über die Würde der Unterschiedlichkeit: "Das beste Gegenmittel gegen Gewalt ist das Gespräch: über unsere Ängste sprechen und die Ängste der andere erfahren. Wenn wir unsere Verletzlichkeiten austauschen, entdeckt man das Aufkeimen der Hoffnung". Die Vermittlung der Sprache wurde auf Italienisch in zwei Bänden zusammengestellt, deren Titel auch Programm sind: "Freundschaft auf Italienisch". Außerdem wurde anlässlich ausländerfeindlicher Übergriffe das Buch "Stranieri nostri fratelli (Fremde und Geschwister) herausgegeben, darin heißt es: "Wir betonen, dass Ausländer nicht mit Terrorist gleichzusetzen ist. Der Fremde bringt seine Arbeitskraft mit und auch sein Bedürfnis nach Frieden und Sicherheit … Einseitige Stimmen, die nur Alarm schlagen, können eine an sich schon leidvolle Situation erschweren. Als Christen möchten wir ein Zeugnis für unsere Sensibilität und eine Verbundenheit geben, die uns auch mit denen vereint, die neu in unser Land gekommen sind". Ganz besonders betroffen gemacht hat uns das Schicksal von Jerry Essam Masslo. Er war ein Asylbewerber aus Südafrika und wohnte lange in einer Wohngemeinschaft für Flüchtlinge der Gemeinschaft Sant'Egidio. Jerry durfte das Ende der Apartheid in seinem Land nicht erleben, denn er wurde bei einem Raubüberfall im Sommer 1989 in Villa Literno ermordet, wo er bei der Tomatenernte arbeitete. Die durch diesen Mord ausgelöste Debatte führte in den folgenden Monaten zur Verabschiedung des "Martelli-Gesetzes" über die Immigration, jedoch nicht zu Vorgehensweisen, die eine notwendige Aufnahme von Asylbewerbern fördern, auf die Italien immer noch wartet.
Die Bewegung "Menschen des Friedens" möchte beweisen, dass eine Integration möglich ist, auch wenn die Schwierigkeiten nicht geleugnet werden. Dazu werden religiöse Feste gefeiert, was unter den schwierigen Umständen der Emigration eine große Bedeutung hat. Besonders christliche Frauen sind beispielsweise an Ostern oder Weihnachten sehr traurig, weil sie Heimweh nach ihrer Familie haben. Wenn man diese Zeiten gemeinsam mit Freunden verbringt, dann ist das eine wichtige Hilfe zur Integration der Gastgesellschaft und ist ein Trost, um eine pessimistische Sichtweise der eigenen Lage zu überwinden. Auch im Ramadan werden gemeinsame Feiern organisiert. So bereiten Christen der Bewegung "Menschen des Friedens" aus Rumänien, Polen, Lateinamerika, der Ukraine und anderen Ländern Mahlzeiten zum Fastenbrechen für die Muslime vor. Andererseits helfen muslimische Freunde an Weihnachten mit und bedienen bei den Weihnachtsmählern. Es mag seltsam erscheinen, wenn man am 25. Dezember am frühen Morgen in der Nähe von Kirchen wie der Basilika Santa Maria in Trastevere in Rom oder in anderen Räumlichkeiten der Festmähler muslimische Köche antrifft, die unentgeltlich Essen für Hunderte von Gästen zubereiten. Dadurch soll ein normales Zusammenleben auf der Grundlage gegenseitigen Respekts und der Solidarität aufgebaut und ein Kennenlernen der verschiedenen Traditionen gefördert werden. Bei den Weihnachtsmählern sind viele Obdachlose, Alleinstehende, neu angekommene Asylbewerber und sonstige Bedürftige von der Gemeinschaft Sant'Egidio eingeladen, die an diesem wichtigen Fest der Christen auch von Ausländern der Bewegung "Menschen des Friedens" bedient werden. 2002 hat die Gemeinschaft Sant'Egidio angesichts des neuen italienischen Gesetzes über die Immigration eine nationale Kampagne mit dem Titel "Ich brauche dich" organisiert. Mitglieder der Bewegungen "Menschen des Friedens" und "Es lebe, wer alt ist!" (von und für ältere Menschen) wollten das Parlament und die öffentliche Meinung darauf hinweisen, dass insbesondere ältere Menschen und Familien Ausländer mit geregeltem Aufenthaltsstatus benötigen, damit sie häusliche und pflegerische Arbeiten für sie übernehmen können. Der Titel sollte auf die gegenseitige Abhängigkeit hinweisen, die sich im Verlauf der Jahre zwischen Einheimischen und Immigranten entwickelt hat. Ohne Ausländer blieben heutzutage vor allen Dingen viele hilfsbedürftige alte Menschen ohne Betreuung und könnten nicht in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Auch viele Berufszweige könnten mittlerweile nicht mehr ohne die Arbeit von Ausländern existieren. Sehr viele Menschen beteiligten sich an dieser Kampagne, die zum Erfolg führte, sodass 650.000 Immigranten eine geregelte Aufenthaltsgenehmigung mit Arbeitserlaubnis in Italien bekommen konnten. Eine zweite Kampagne zur Meinungsbildung wurde von der Gemeinschaft Sant'Egidio und "Menschen des Friedens" in Italien zum Thema "Kinder Italiens" durchgeführt. Seit 2003 setzt sich die Gemeinschaft für eine Reform des Rechts über die Staatsbürgerschaft ein. Dieses Gesetz entstammt noch Zeiten, als Italien ein Land der Emigration war und nicht wie heute ein Land der Immigration. Die Rückständigkeit der Vorschriften sind schon in Bezug auf die Eingliederung von Erwachsenen deutlich und bei in Italien geborenen oder aufgewachsenen Kindern ausländischer Bürger noch viel offensichtlicher, weil ihnen keine Möglichkeiten gewährt werden, die Staatsbürgerschaft zu erwerben. Wenn sie die Staatsangehörigkeit besäßen, würden sie ihre Zukunft selbstverständlicher in der Gesellschaft aufbauen und auch eine Hilfe für das Land sein, denn eine fehlende Eingliederung ist nur schädlich. Die Immigranten haben dieselben Probleme wie die Einheimischen. Ein großes Problem ist die Wohnsituation, teilweise kommt es zu Ghettobildungen, die durch eine "städtische Ökonomie" stark gefördert wird und eine Aufteilung nach Bevölkerungsschichten fördert. Teilweise gelingt es Ausländern aber auch, Wohnungen zu kaufen, da die Mietpreise in manchen Städten stark angestiegen sind und sie sich gut in das Arbeitsleben integriert haben. Trotzdem leben die Ausländer bevorzugt in Stadtvierteln mit niedrigen Immobilienpreisen und damit auch mit einer geringeren Wohlqualität und mit wenigen sozialen Einrichtungen. Der Prozess der Gruppenbildung in den jeweiligen Wohnvierteln wird auch durch fehlende Sozialwohnungen oder Wohnungen von staatlichen Einrichtungen begünstigt. Daher sind Strategien zur Förderung der sozialen Integration besonders in solchen Stadtvierteln notwendig, die von einer ethnischen und kulturellen Vielfalt geprägt sind. Außerdem werden durch gemeinsame Initiativen von älteren Menschen, Einheimischen und ausländischen Mitbürgern Kontakte hergestellt, die hilfreich bei Konflikten sein können. In Italien ist es immer wieder zu ausländerfeindlichen Äußerungen und insbesondere zur gewalttätigen Aktionen gegen Roma und Sinti gekommen, die teilweise aufgrund falscher Gerüchte oder von Vorurteilen ausgebrochen sind. Aus diesem Grunde sollen Stadtteilfeste oder andere kulturelle Veranstaltungen das Kennenlernen und das Miteinander unterschiedlicher Bürger fördern und Vorurteilen und Ausgrenzungen vorbeugen. Diese Arbeit hat präventiven Charakter und baut eine Toleranz zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen auf, damit es nicht wie in manchen europäischen Großstädten zu weiteren Gewaltausbrüchen oder Unruhen kommt und bei Spannungen leichter Abhilfe geschafft werden kann. |
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