BARI - Das Gipfeltreffen der christlichen Kirchen aus dem Nahen Osten mit Politikern und Diplomaten hat sich mit den dramatischen Problemen dieser gepeinigten Region beschäftigt. Es war das erste, von der Gemeinschaft Sant'Egidio und der Erzdiözese Bari organisierte interchristliche Gipfeltreffen, das mit einem ehrgeizigen Vorschlag abgeschlossen wurde. Dazu gab es eine erste beachtenswerte Zustimmung. Es wurde der sogenannte "Tisch von Bari" eingerichtet als originelle Bezeichnung des Dialogs zwischen Persönlichkeiten unterschiedlicher Herkunft, die sich mit der "verfahrenen Materie" auseinandersetzen und als "bevorzugte Ansprechpartner" aller kleineren, mittleren und großen Mächte den betroffenen Konflikt vertreten. Es sollen konkrete Lösungen für schwierige Situationen ausgearbeitet werden, angefangen mit Syrien, das seit vier Jahren in den Fängen eines unbarmherzigen Bürgerkriegs gefangen ist mit Zigtausend Opfern und mehreren Hunderttausend Flüchtlingen im Inland und Ausland." Der Gründer von Sant'Egidio, Andrea Riccardi, sagte am Ende des Treffens: "Vielleicht könnten wir den Tisch von Bari fortsetzen und ein operatives Gremium für das Problem einrichten." Das ist die Vorstellung vom "Tisch von Bari". "Alarmrufe sollen zu Vorschlägen werden, die verbreitet und zum moralischen und politischen Einsatz werden." Bei diesem Prozess könnten auch einige "safe haven", sichere Zufluchtsorte für Christen und andere Minderheiten in der Region, eingerichtet werden, beispielsweise in der Niniveebene im Irak und in Aleppo als Antwort auf den Appell "Save Aleppo", den Andrea Riccardi im Juni 2014 veröffentlicht hat.
Diesen Vorschlag unterstützte der Präsident der Gemeinschaft Sant'Egidio, Marco Impagliazzo, am zweiten Tag des Gipfeltreffens. Es war der Tag des Gesprächs der christlichen Patriarchen und von Erzbischof Paul Richard Gallagher, Sekretär des Heiligen Stuhls für die Beziehungen zu den Staaten, mit dem italienischen Außenminister Paolo Gentiloni und Diplomaten der wichtigsten Länder (USA, Russland, Frankreich, Deutschland, Vereinigtes Königreich, Griechenland) über gemeinsame Vorschläge: "Bei diesem großen Forum sollte die Decke der europäischen und westlichen Gleichgültigkeit angesichts schlimmsten Leidens beseitigt und betont werden, dass allein das Ende des Krieges und der Aufbau von dauerhaftem Frieden eine Zukunft in Freiheit und Unbeschwertheit für die Christen im Nahen Osten garantieren kann." Andrea Riccardi erwähnte die "dramatische ethnische Säuberung in ganzen Regionen, für die es in der Geschichte vielleicht keine Vergleiche gibt und die fast das Ende der Geschichte darstellen" und sagte: "Eine Welt ist im Untergang, das ist ein Drama für die Christen, eine Verarmung der islamischen Gesellschaften und ein Verlust für das Gleichgewicht im Mittelmeerraum und für die Kultur."
Die Oberhäupter der christlichen Kirchen in Syrien, der Türkei, auf Zypern und in Ägypten und der Kustos vom Heiligen Land, Pierbattista Pizzaballa, nahmen an einer interessanten Debatte teil, brachten verschiedene Sichtweisen ein und sprachen als Anwälte einer durch den Krieg und die Diskriminierungen extrem leidenden und vom Westen im Stich gelassenen Bevölkerung, die von der Gefahr der Auslöschung als kultureller und religiöser Gemeinschaft bedroht ist. Sie baten die Gemeinschaft Sant'Egidio, die Patriarchen des Orients bei den westlichen Mächten zu begleiten, damit ihre Stimmen auf höchster Ebene Gehör finden. Vor allem der melkitische Patriarch von Antiochien und dem ganzen Osten, Gregor III. Laham, forderte, eine "ökumenische Initiative aller Kirchen, um einen gemeinsamen Friedensplan zu erarbeiten, der den Großmächten vorgelegt werden soll. Der irakische Erzbischof, Yousif Mirkis, vom Patriarchat von Balylon der Chaldäer, nannte die Gefühlskälte Europas gegenüber dem Drama im Nahen Osten eine "Schande" und machte den Vorschlag: "Ich bitte Sant'Egidio, uns Patriarchen auf den Weg in die wichtigsten Hauptstädte der Welt zu begleiten: Washington, Moskau, Brüssel und New York, dem Sitz der Vereinten Nationen mit der Forderung, dem sogenannten politischen Islam Einhalt zu gebieten, weil er der Grund für den Kalvarienberg der Christen und ganz allgemein der religiösen Minderheiten, einschließlich der Muslime ist." Der Erzbischof von Zypern, Chrysostomus II., beklagte "heuchlerische Tatenlosigkeit der Mächtigen der Erde und der Vereinten Nationen, die doch im Namen des Friedens gegründet wurden."
Weitere Stimmen beklagten das Drama der Bevölkerung. Der syrisch-orthodoxe Patriarch von Antiochien, Ignatius Aphrem II., stellte sich die Frage, ob weitere hundert Jahre abgewartet werden müsse, wie bei dem Genozid der Armenier, "bis die Welt reagiert und aufhört, sich die Hände vom Blut unserer Leute abzuwaschen." Polemisch fügte er hinzu: "Wird es eine Zukunft für die Christen im Heiligen Land und im Nahen Osten geben? Ohne Frieden sicher nicht, doch ohne Frieden wird es auch für die ganze Menschheit keine Zukunft geben."
Relativ ruhig wurde die Lage der koptischen Christen in Ägypten vom Patriarchen von Alexandrien, Isaac Sidrak, beschrieben. Während "der ganze Nahen Osten" mit den Worten des syrisch-katholischen Patriarchen von Antiochien, Ignace Youssif III. Younan, "in der letzten Zeit von einer Spiraler unerhörter Gewalt und einem nicht enden wollenden Albtraum mitgerissen wurde."
Antworten auf die Litanei von Vorwürfen und Alarmrufen kamen von der Diplomatie, zunächst vom Heiligen Stuhl. Erzbischof Gallagher erinnerte daran, dass der Heilige Stuhl "mit lebendiger Anteilnahme die Lage der Christen im Nahen Osten begleitet, vor allem mit Aufmerksamkeit und Respekt für das Leben und Leiden aller religiöser Minderheiten." Er sagte weiter: "Das Gewissen der internationalen Gemeinschaft müsse aufgerüttelt werden, denn die grundlegenden Prinzipien wie der Wert des Lebens, der Menschenwürde und des zivilen Zusammenlebens stehen auf dem Spiel." Als wesentlichen Punkt nannte er: Der Exodus müsse gestoppt werden, "den Christen, die bleiben wollen muss Sicherheit und Schutz garantiert werden", die Länder mit islamischer Mehrheit benötigen Hilfe, um "das Problem des Fanatismus und die Frage der Beziehung von Religion und Staat zu lösen, denn die unauflösliche Verknüpfung von Religion und Politik und die fehlende Unterscheidung von religiösem und zivilen Bereich macht das Leben für die Christen schwierig."
Der italienische Außenminister, Paolo Gentiloni, sagte: "Europa ist an Egoismus, Feigheit und Gleichgültigkeit erkrankt. Oft wenden wir den Blick ab, wie es bei dem Massaker an den Muslime in Europa im Fall von Sebrenica war. Jetzt machen wir es beim Martyrium der Christen im Orient, das Fragen an unsere eigenen Wurzeln stellt." Daher "muss die Pädagogik des Hasses bekämpft und unnachgiebig gegen Feigheit und Gleichgültigkeit angegangen werden, die unsere Kultur beschmutzen. Gerechtigkeit erfordert Freimut, Mut zur Wahrheit, und oft sind wir in unserem Egoismus und in unserer Illusion gefangen." Auf die schlimmsten Krisen muss "mit konkretem Einsatz der Kultur und Diplomatie geantwortet werden". Gentiloni zitierte den Vorschlag eines "freeze" zur Rettung von Aleppo: "Der Vorschlag von Sant'Egidio, der von den Vereinten Nationen abgewandelt wurde, ist vielleicht die einzige Option auf dem Tisch, ein schwer zu erreichendes und doch notwendiges Ziel, um die Gewalt zu verringern. Dabei muss Russland einbezogen werden."
Das Thema des Schutzes der Christen im Nahen Osten war eine Priorität bei den Gesprächen. Andrea Riccardi sagte: Er "muss Teil des Handelns der Regierungen werden. Das Ziel ist, eine Waffenstillstandszone in Syrien, beispielsweise in Aleppo, einzurichten und dem Libanon zu helfen, verstärkt humanitäre Aktionen durchzuführen." Als Antwort auf die Frage eines Journalisten über die Möglichkeit, Friedenstruppen in den gefährdeten Regionen zu installieren, sagte Marco Impagliazzo: "Ich glaube, dass die Erfahrung mit UNIFIL im Libanon das geeignetste Modell darstellt. Diese Friedensmission unter italienischer Leitung und der Fahne der UNO garantiert den Frieden und könnte ein von allen akzeptiertes Modell sein, das der Logik des internationalen Rechts entspricht. Heute fehlt es an Einsätzen internationaler Polizeikräfte. Es gibt keine Struktur, die ein Modell von internationaler Polizei bietet, um in Notlagen einzugreifen. Fordern wir die Vereinten Nationen auf, rechtliche Schritte zu erkunden, um zu diesem Ergebnis zu kommen."
Schließlich sagte Andrea Riccardi am Ende der Arbeiten zu einigen bei der Diskussion aufgeworfenen Problemen: "Es genügt nicht, die Christen zum Bleiben aufzufordern. Man muss Garantien für ein Leben in Sicherheit geben." Die Gemeinschaft Sant'Egidio hat den Appell für Aleppo und für andere "safe haven" veröffentlicht als sichere Zufluchtsorte für Christen und Minderheiten. Riccardi beklagte, dass dieser Appell "von wenigen aufgegriffen wurde. Unterstützt ihn!" Zu dem, was Sant'Egidio tun kann, sagte er: "Wir sind bereit, ehrlich, intelligent, offen, ohne verborgene Pläne und Hegemonieansprüche. Helft uns, euch zu helfen!"
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